Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
wird es den andern schon nichts schaden, mit einem altmodischen jiddel im selben Tempel zu sitzen, wenn sie zur Jahrzeit hinkommen.«
    Michael lächelte. »So schlimm wird es schon nicht sein.« »Glauben Sie?« Golden lachte in sich hinein. »Vor acht Jahren haben sie die Tempelgemeinde Isaiah gegründet. Und warum? Die andern reformierten haben ihnen zuviel Zeit weggenommen, haben sie persönlich zu stark beansprucht. Die Leute möchten zwar Juden sein, aber nicht in einem Ausmaß, das auch nur im geringsten ihre Freizeit beschneidet, denn um die zu genießen, sind sie ja nach Kalifornien gekommen. Jom-Kipur und Rosch-Haschana - aber auch nicht mehr, mein Lieber.
    Nun glauben Sie aber nur nicht«, sagte er, die große Hand wie ein Verkehrspolizist erhebend, »daß die Leute nicht bereit wären, für dieses Vorrecht zu zahlen. Unsere Beiträge sind ziemlich hoch, aber wir sind eine junge blühende Gemeinde. Die Zeiten sind gut. Sie verdienen Geld, und sie zahlen ihren Betrag, und dafür ist es dann die Aufgabe des Rabbiners, an ihrer Statt ein guter Jude zu sein.
    Wenn Sie für irgendeine Gemeindeangelegenheit innerhalb vernünftiger Grenzen Geld brauchen, werden Sie es bekommen, das kann ich Ihnen heute schon sagen. Nur eines dürfen Sie nicht erwarten: daß viele Leute zu Ihren Gottesdiensten kommen. Sie müssen wissen, daß Sie Feinde haben, Rabbi: die vielen Reihen von leeren Plätzen.«
    Michael bedachte alles, was der andere gesagt hatte: »Und der KuKlux-Klan macht Ihnen hier nicht zu schaffen?«
    Golden hob die Schultern und verzog das Gesicht zu einem Ausdruck, der etwa zu fragen schien: Bist m'schuge?
    »Dann zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die leeren Plätze.
    Wir werden schon dazu sehen, daß sie besetzt werden.«
    Phil lächelte.
     
    »Da müßten Sie Wunder wirken können«, sagte er ruhig und griff nach der Flasche, um Michael nachzuschenken. »Ich habe niemals Schwierigkeiten mit dem Rabbiner. Mit dem Ausschuß, ja. Mit einzelnen Mitgliedern, ja. Aber nicht mit dem Rabbiner. Ich werd da sein, wenn Sie mich brauchen, aber ich werd Ihnen nicht andauernd in den Ohren liegen. Schließlich handelt es sich um Ihr Kind.«
    »Erst in sechs Monaten«, scherzte Michael, das Thema wechselnd, da Leslie und Rhoda ins Zimmer kamen.
    Tags darauf wurden einige Möbel geliefert. Michael saß in einem neuen Stuhl vor dem Fernsehapparat, der früher Rabbi Kaplan gehört hatte.
    In der Wochenschau von CBS waren arabische Streitkräfte zu sehen, Repräsentanten eines 40.000.000-Mann-Heeres von sechs Staaten, die ihren vereinigten militärischen Haß gegen 650.000 Juden richteten. Der Film zeigte zerstörte kibbuzim und Leichen und israelische Frauen, die, in Olivenhainen versteckt, das jordanische Feuer mit langen Salven von Leuchtspurmunition erwiderten. Michael verfolgte die Wochenschau aufmerksam. Seine Eltern hatten jetzt nur selten Nachricht von Ruthie.
    Sie antwortete ausweichend auf ihre Fragen, wie weit sie in die Kämpfe verwickelt sei. Meist schrieb sie nur, daß es Saul und den Kindern gutgehe und daß es ihr gutgehe. War das seine Schwester Ruthie, dachte Michael, die Frau, die dort hinter einem gefällten Olivenbaum lag und einen Eindringling mit einem Feuerstoß zu treffen versuchte?
    Er rührte sich den ganzen Tag lang nicht vom Fernsehschirm weg.
    Leslie genoß ihren Nachmittagsausflug mit Florence Golden und kam mit der Adresse eines ausgezeichneten Geburtshelfers und mit einem gerahmten Druck von Thomas Sullys The Torn Hat zurück. Lange suchten Michael und sie nach einem geeigneten Platz dafür und standen dann vor dem endlich aufgehängten Bild, einander umschlungen haltend und ganz in den Anblick des süßen, ernsten Knabengesichts versunken.
    »Hängt dein Herz daran, daß es ein Sohn wird?« fragte sie.
    »Nein«, log er.
    »Mir ist es wirklich egal. Ich kann nur daran denken, daß aus unserer Liebe ein Menschenwesen wird. Das ist das einzig Wichtige. Ob es einen Penis hat oder nicht, ist völlig gleichgültig.«
    »Wenn's ein Bub wird, wär mir schon lieber, er hätte einen«, sagte Michael.
    In dieser Nacht träumte er von Arabern und Juden, die einander abschlachteten, und er sah Ruthies toten Körper im Traum. Am Morgen stand er zeitig auf und trat barfuß hinaus in den Hinterhof.
    Der Nebel war dick und klebrig, und Michael atmete ihn tief ein und schmeckte den scharfen Fischgeruch des sechs Kilometer entfernten Pazifiks.
    »Was machst du denn da?« fragte Leslie, die ihm

Weitere Kostenlose Bücher