Der Rabbi
und ein Badezimmer. Die Räume waren teilweise möbliert.
»Es ist ja recht nett«, sagte Leslie, »aber rundherum hundertmal dasselbe ...«
»Eine große Siedlung eben«, sagte Mr. Golden. »Alles Massenproduktion. So kriegt man mehr für sein Geld.« Er ging zur Wand und strich darüber. »Ich habe da selber ausgemalt. Das ist wirklich gute Arbeit. Da können Sie lange suchen, bis Sie schönere Wände finden.«
Er musterte Leslie kritisch. »Wenn Sie's nicht nehmen, können wir's auch jemand anderem vermieten. Aber so günstig kriegen Sie's nirgends. Die Gemeinde hat es unserem letzten Rabbiner abgekauft.
Kaplan hat er geheißen, jetzt ist er am B'nai Israel Tempel in Chicago.
Das Haus ist steuerfrei, es gehört einer Glaubensgemeinschaft. Das ist auch für Sie billiger.«
Er trat auf die Straße.
»Vielleicht könnten wir etwas in einem dieser alten überladenen Häuser finden. Oder ein Apartment an einem der Hänge«, flüsterte Leslie.
»Ich habe gehört, Wohnungen in günstiger Lage sind in San Francisco jetzt kaum zu kriegen«, sagte Michael. »Außerdem sollen sie sehr teuer sein, und wir tun der Gemeinde einen Gefallen, wenn wir das da nehmen.«
»Und die Schablonen rundherum?«
Er verstand sie sehr gut. »Trotzdem ist es ein nettes kleines Haus. Und wenn uns das Wohnen in einer Siedlung nicht behagt, können wir uns immer noch in Ruhe um etwas anderes umschauen.« »Okay«, sagte sie, trat auf ihn zu und küßte ihn gerade in dem Moment, als Phil Golden wieder ins Zimmer kam. »Wir sind eben dabei, das Haus zu nehmen«, sagte sie.
Golden nickte. »Wollen Sie jetzt den Tempel sehen?« fragte er sie.
Sie stiegen ins Auto und fuhren bis zu einem gelben Ziegelbau, den Michael zum ersten und einzigen Mal anläßlich seiner Einführungspredigt gesehen hatte. Bei Tag sah er älter und schäbiger aus.
»War früher eine Kirche. Katholisch. St. Jerry Myer. Ein jüdischer Heiliger«, sagte Phil.
Das Innere wirkte geräumig, aber düster, und es war Michael, als röche es nach vergangener Zeit und heiliger Beichte. Erst jetzt erinnerte er sich wieder all dieser Häßlichkeit. Er suchte die aufsteigende Enttäuschung zu bemeistern. Nicht das Haus, die Menschen machten den Tempel. Und trotzdem, so wünschte er leidenschaftlich, wollte er irgendwann einmal einen hellen, luftigen Tempel haben, der schön war und dem Wunder bereit.
Den Rest des Nachmittags verbrachten sie damit, Möbel auszuwählen, wobei sie mehr ausgaben, als sie vorgesehen hatten, und damit ihr Bankkonto gründlich durcheinanderbrachten.
»Laß mich doch die tausend Dollar von Tante Sally hernehmen«, sagte sie.
Aber das Gesicht ihres Vaters vor Augen, sagte er: »Nein.« Sie blieb ganz ruhig. »Warum?«
»Ist das so wichtig?«
»Eigentlich ja. Sehr sogar«, sagte sie.
»Heb sie auf und warte, bis du unseren Kindern etwas dafür kaufen kannst, was sie sich wirklich wünschen«, sagte er und hatte damit das Richtige getroffen.
Das Haus war tadellos sauber, und diesmal hatten sie auch an Bettwäsche und Handtücher gedacht. Trotzdem lagen sie dann schlaflos im Dunkel des ungewohnten Zimmers, und Leslie wälzte sich von einer Seite auf die andere.
»Was hast du denn?« fragte er.
»Ich mag diese Weiber nicht sehen.« »Was meinst du?« fragte er belustigt. »Was ich meine? Das weißt du nicht? Ich hab's durchgemacht, diese ... jentes.. ., gackern herein in den Tempel, aber nicht etwa, um zu beten, nicht einmal, um den neuen Rabbi zu sehen - aber die schiksse!«
»Mein Gott«, sagte er bedrückt.
»So ist es doch. Von Kopf bis Fuß messen sie einen.
>Seit wann sind Sie verheiratet?< fragen sie, und:>Haben Sie schon was Kleines?< Und du siehst förmlich, wie es arbeitet hinter ihren Visagen, wie sie ausrechnen, ob ihr neuer Rabbi nicht etwa heiraten mußte.«
»Ich hab nicht gewußt, daß es so schwer für dich ist«, sagte er.
»Aber jetzt weißt du's.«
Keiner sagte etwas. So lagen sie nebeneinander. Aber gleich darauf drehte sie sich zu ihm und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Ach, laß doch, Michael«, sagte sie. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich habe.«
Er wollte sie in die Arme nehmen, aber sie machte sich plötzlich los, glitt aus dem Bett und lief ins Badezimmer. Er horchte und ging ihr dann nach.
»Ist dir nicht gut?« fragte er und schlug an die Tür. »Geh ins Bett«, würgte sie hervor. »Bitte, geh!«
Er legte sich wieder hin und preßte das Kissen gegen die Ohren, ohne damit das
Weitere Kostenlose Bücher