Der Rabbi
quälende Geräusch ihres Erbrechens ganz auslöschen zu können. Und er fragte sich, wie oft er das schon friedlich verschlafen hatte.
Das hat uns noch gefehlt, dachte er. Schwangerschaftserbrechen.
Ach.
Ihr schöner Leib wird aufgehen wie ein Ballon.
Das mit den Weibern wird sich ganz anders abspielen, dachte er, dafür wird schon die Schwangerschaft sorgen. Jeden Freitagabend wird sie in der ersten Reihe sitzen, und die Weiber werden von ihrem Bauch auf mich schauen und von mir auf ihren Bauch, und mit dem Mund werden sie lächeln, und mit den Augen werden sie sagen: Hund, das hast du uns angetan.
Und man wird es bald sehen. Oj, und ich liebe sie.
Ob das jetzt heißt, daß wir nicht mehr dürfen?
Dann, als sie wieder im Bett lag, erschöpft, schweißgebadet und nach Mundwasser riechend, legte er den Arm um sie und strich ihr vorsichtig über den Leib, aber seine tastenden Finger fanden ihn flach und hart und unverändert.
Prüfend sah er sie an im dämmernden Schimmer des Morgens, aber da war keine Spur mehr von Übelkeit, und plötzlich lächelte sie wie eine befriedigte Frau und schien stolz auf ihr Schwangerschaftserbrechen. Als er seine Arme um ihren Körper und seine Wange an die ihre legte, rülpste sie ihm ins Ohr, aber anstatt sich zu entschuldigen, brach sie in Tränen aus. Ende der Flitterwochen, dachte er, strich ihr übers Haar und küßte sie auf die feuchten, erschlafften Lider.
Es folgten zwei Tage der Kontaktaufnahme, vor allem mit den führenden Mitgliedern der Gemeinde. Die Sekretärin seines Vorgängers hatte sich verheiratet und wohnte nun in San José, so daß er einen großen Teil seiner Zeit dazu brauchte, um sich überhaupt zurechzufinden. Dabei stieß er auf eine Mitgliederliste und begann einen Besuchsplan auszuarbeiten, um auch mit den weniger aktiven Gemeindemitgliedern bekannt zu werden.
Am zweiten Tag zu Mittag kam Phil Golden in den Tempel. »Essen Sie gern chinesisch? Die Straße hinunter gibt's ein Lokal mit einem wahren Wunder an chinesischer Küche. Gehört einem von unseren Leuten.«
Golden verzog das Gesicht. »Hören Sie mich an«, sagte er auf dem Weg zum Restaurant. »Früher, wie ich noch jung war, hab ich geschuftet wie ein Pferd. Nichts wie malen. Für das nackte Leben. Na, mit der Zeit hab ich mit meiner Frau vier Söhne gehabt, alle unberufen groß und gesund. Und alle haben sie bei mir das Malerhandwerk gelernt. Immer hab ich davon geträumt, ein Unternehmer zu sein, und meine Söhne werden für mich arbeiten. Und was ist passiert? Heute sind meine Söhne Unternehmer, und ich selber bin der Chef vom Familienbetrieb. Aber das ist auch schon alles. Ein Familienbetrieb.
Einen Malerpinsel krieg ich nur mehr in die Hand, wenn was für den Tempel zu tun ist.«
Er lachte in sich hinein. »Ist ja gar nichtwahr. So zirka alle halben Jahr halt ich's nicht mehr aus, und da stehl ich mich weg und geh pfuschen.
Da nehm ich mir einen Mexikanerjungen, der kriegt das ganze Geld.
Aber daß Sie ja nichts meinen Söhnen erzählen! «
»Ich schweige wie ein Grab.«
Das Restaurant nannte sich »Moy Sche«. »Morris da?« fragte Golden den chinesischen Kellner, der das Essen servierte.
»Er ist einkaufen«, sagte der Kellner. Sie hatten Hunger, und das scharf gewürzte Mahl schmeckte ihnen. So sprachen sie nur wenig, bis Phil Golden sich zurücklehnte und eine Zigarre ansteckte. »Na, und wie kommen Sie zurecht?« fragte er.
»Ich glaube, ich gewöhne mich hier recht gut ein.« Der Altere nickte unverbindlich.
»Etwas ist mir aufgefallen«, sagte Michael. »Ich habe jetzt mit einer ganzen Reihe von Leuten gesprochen und von vier verschiedenen Seiten dieselbe Warnung erhalten.«
Golden paffte. »Und das war?«
»>Hüten Sie sich vor Phil Golden. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen.<«
Golden betrachtete die Asche seiner Zigarre. »Ich könnt Ihnen jetzt die vier Namen nennen. Und was haben Sie gesagt?« »Daß ich mich hüten werd.«
Goldens Miene blieb ausdruckslos, nur seine Augen lachten. »Daß Sie sich besser hüten können, Rabbi: Ich seh Sie und Ihre Frau morgen bei mir zum schabess ze nacht.«
Um den Speisezimmertisch waren elf Leute versammelt. Nebst Phil und Rhoda Golden waren da zwei ihrer Söhne, Jack und Irving, weiters Jacks Frau Ruthie und Irvings Frau Florence sowie drei Enkelkinder von Phil zwischen drei und elf Jahren.
»Henry, das ist unser dritter verheirateter Sohn, wohnt drüben in Sausalito«, erläuterte Phil. »Zwei Kinder und ein
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