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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Pfarrer von St.
    Margaret traf, Reverend Dominic Angelo Campanelli, einen alten Geistlichen mit verhangenem Blick und einem Feuermal auf der rechten Wange, als hätte Gott selbst ihn gezeichnet.
    »Tempel Isaiah?« sagte er, als Michael sich vorgestellt hatte. »Das müßte doch das alte Sankt Jeremiah sein. In dieser Pfarre bin ich aufgewachsen.«
    »Tatsächlich?« sagte Michael.
    Dann mußte der Tempel ja noch gut zehn Jahre länger stehen, als er geschätzt hatte.
    »Ich war damals Ministrant bei Pater Gerald X. Minehan, der dann später Weihbischof in San Diego geworden ist«, sagte Pater Campanelli.
    Er schüttelte das Haupt. »St. Jeremiah! Ich habe meinen Namen in den Glockenturm jener Kirche geschnitten.« Er sah gedankenverloren ins Weite. »Ja, ja«, sagte er. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.« Und er wandte sich und schritt davon, ein Schwarzrock mit ruhelosen Fingern, welche mit den hundertfünfzig Perlen der Kordel um seine Mitte spielten.
     
    Noch am selben Nachmittag leerte Michael den Inhalt einer alten Schuhschachtel auf seinen Schreibtisch und ging all die an ihren Schlüsseln hängenden Schilder durch, so lange, bis er jenen mit der Aufschrift Glockenturm gefunden hatte.
    Die enge Tür öffnete sich mit dem erwarteten Knarren. Drinnen herrschte Düsternis, und eine der wenigen Holzstufen knackte beunruhigend unter Michaels Tritt. Wie peinlich, dachte er, hier durchzubrechen und mit kaputten Knochen dazuliegen. Wie hätte man das den Gemeindemitgliedern erklären sollen?
    Die Holzstufen führten zu einem Treppenabsatz; im trüben Licht, das durch hohe, verschmutzte Fenster einfiel, war der auf kleinen runden Schalen an allen vier Wänden ausgelegte Rattenköder zu erkennen.
    Eine eiserne Wendeltreppe führte zu einer Falltür in der Decke, die sich zwar unter Geknarr, aber ohne Schwierigkeiten öffnen ließ. Vögel stoben auf, als er hindurchkletterte. Der Gestank verschlug ihm den Atem. Die Wände waren weiß von Vogelmist. In drei kotverkrusteten Reisignestern hockte die unglaublich häßliche Taubenbrut: nackt, faustgroß und mit weit aufgerissenen Schnäbeln.
    Die Glocke hing noch an ihrem Platz. Eine große Glocke. Mit dem Mittelfinger klopfte er dagegen, was ihm außer einem klanglosen Laut nur einen gebrochenen Fingernagel eintrug. Als er sich dann aus dem Turm beugte, sorgfältig darauf bedacht, seine Kleidung nicht mit dem besudelten Geländer in Berührung zu bringen, fiel die Stadt unter ihm ins Weite und dünkte ihn älter und wissender denn je zuvor. Zwei der Taubeneltern kamen zurück, umflatterten angstvoll und mit aufgeregtem Gegurre den Turm.
     
    »Okay«, rief er ihnen zu, schritt vorsichtig durch all den aufgehäuften Mist, zog die Falltür wieder über sich zu und stieß erleichtert die Luft aus, in dem Versuch, den Gestank wieder aus der Nase zu bekommen.
    Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen und hielt näher Umschau. An der Wand hing noch immer die alte Gasleuchte. Er drehte den winzigen Hahn und war überrascht, daß Gas ausströmte. »Hier wird man etwas tun müssen«, murmelte er, während er den Hahn wieder schloß.
    Es war zu dunkel, als daß man die Initialen des Priesters an der Wand hätte finden können. So zog er seine Streichhölzer hervor und riß eines an, nachdem er etwas ausgeströmtes Gas mit fächelnden Handbewegungen zerstreut hatte.
    Im flackernden Licht eines Streichholzes zeigte sich ein in die Mauer geritztes Herz. Es war ziemlich groß, und in seiner Mitte standen tatsächlich die drei Buchstaben D. A. C.
    »Dominic Angelo Campanelli«, sagte er laut und belustigt. Unter dem D.
    A. C. war ein weiteres Monogramm gestanden, aber die Buchstaben waren mit dickem tiefschwarzem Bleistift unkenntlich gemacht worden.
    An ihrer Statt war nun das Wort JESUS in das Herz mit Dominic Campanellis Initialen gekritzelt. Das Streichholz verbrannte ihm die Finger, und er ließ es mit einem unwilligen Laut fallen. Er steckte die Fingerspitzen in den Mund, bis der Schmerz geschwunden war, und fuhr dann die unleserlich gemachten Buchstaben nach: die Gravur war noch immer zu spüren. Der erste Buchstabe war zweifellos ein M. Dann folgte ein C oder auch ein O, das ließ sich nicht so genau sagen.
    Wie mochte sie geheißen haben? Maria? Myra? Marguerite?
     
    Er stand da und sann darüber nach, ob der junge Dominic Cainpanelli wohl geweint hatte, als er ihre Initialen ausstrich.
    Dann stieg er den Kirchturm vollends hinab, verließ seinen Tempel und machte sich auf

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