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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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nettes Haus. Er hat ein armenisches Mädchen geheiratet, und jetzt haben sie miteinander zwei kleine William Saroyans mit großen braunen Hundeaugen und mit Nasen, noch größer als ein echter Jud sie zustande bringt. Wir sehen uns nicht oft. Sie haben sich in Sausalito draußen vergraben, weiß Gott, was sie dort machen, Daumendrehen vielleicht.«
    »Phil! « sagte Rhoda Golden.
    Phil hatte gar nicht an Leslie gedacht und fühlte sich nun zu einer Erklärung verpflichtet. »Er ist bei seinem Glauben geblieben, sie bei ihrem, und die Kinder glauben überhaupt nichts. Sagen Sie selber, ist das in Ordnung?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie.
    »Wie heißt ihr vierter?« fragte Michael.
    »Aj - Babe«, sagte Ruthie, und alle anderen grinsten.
    »Stellen Sie sich vor, Rabbi«, sagte Florence - eine gutgebaute, aber hagere Blondine - »stellen Sie sich vor einen hübschen Burschen von siebenunddreißig, noch im vollen Schmuck seiner Haare, macht Geld wie Heu, die Sanftmut in Person, schaut aus wie gemalt, alle Kinder rennen ihm nach, dabei sehr männlich; wenn er durch die Stadt geht, sind die Straßen mit gebrochenen Herzen gepflastert - und was tut er?
    Er heiratet nicht! «
    »Ach, dieser Babe! « sagte Rhoda kopfschüttelnd. »Auf seiner Hochzeit mächt ich tanzen, und wenn's auf armenisch wär. Ist der Fisch zu stark gepfeffert?«
    Der Fisch war vorzüglich, ebenso wie die Suppe, das Brathuhn, die zweierlei kuglen und das Kompott. Auf dem Pianino im Nebenzimmer brannten in Messingleuchtern die Sabbatlichter. Es war genau die Art Wohnung, die Michael so gut kannte und schon so lange nicht mehr betreten hatte. Nach dem Essen gab es noch einen Schnaps, die Frauen spülten unterdessen das Geschirr, und anschließend sagten die beiden jüngeren Paare gute Nacht und zogen mit ihren schläfrigen Kindern heimwärts ab. Vor dem Weggehen verabredete sich Florence Golden mit Leslie noch für ein Mittagessen und einen anschließenden Besuch im De Young Memorial-Museum am nächsten Tag. So kam das Gespräch auf Bilder und über die Bilder auf Photos. Rhoda brachte ein riesiges Photoalbum zum Vorschein und schleppte es mit Leslie in die Küche, aus der nun gelegentlich Lachsalven herüber ins Wohnzimmer tönten, wo Michael und Phil schon bei dem nächsten Schnaps saßen.
    »Na also, jetzt sind Sie ein Kalifornier«, sagte Phil. »Und ein alteingesessener dazu.«
    Golden grinste. »Heißt sich alt«, sagte er. »Ich bin das, was man einen alten Kalifornier nennt. Bin schon als Kind hierher gekommen, mit Vater und Mutter von New London in Connecticut drüben. Mein Vater war Reisender in Schiffsbedarf - Eisenwaren. Hat immer einen Musterkoffer von hundertvier Pfund mit sich herumgeschleppt.
    Gleich nach unserer Ankunft haben wir eine schul nach der andern im alten jüdischen Viertel rund um die Fillmore Street ausprobiert. Die jidden sind damals noch zusammengekrochen wie heut die Chinesen.
    Natürlich hat das bald aufgehört. Heutzutag kennen sie kaum mehr den Unterschied zwischen einem Juden, einem Katholiken und einem Protestanten. Das macht die gute kalifornische Luft. Drei Züge davon genügen, und alle Unterschiede verschwinden. Ach, Rabbi-damals hat es noch was bedeutet, ein Jude zu sein - aber heute?«
    »Wie meinen Sie das?«
     
    Golden stieß die Luft durch die Nase. »Nehmen Sie nur die bar-mizwe. Was war das für eine Sache für einen Jungen. Zum erstenmal im Leben wird er zur bema gerufen, singt einen Abschnitt aus der Thora auf hebräisch, wie durch Zauber wird er plötzlich zum Mann, vor Gott und seinen Mitjuden. Und aller Augen hängen nur an ihm, nicht wahr?
    Dagegen heute: es handelt sich nicht mehr um den Jungen, sondern um die Show - mehr Bar als mizwe. Was sich da in Ihrem Tempel versammelt, ist eher eine Cocktailgesellschaft: junge moderne Amerikaner. Was wissen die noch von der alten Fillmore Street?« Er schüttelte den Kopf.
    Michael blickte ihn nachdenklich an. »Und vor Ihnen hat man mich gewarnt.«
    »Ich bin der Scharfmacher in dieser Gemeinde«, sagte Phil. »Ich bestehe darauf, daß der Tempel, wenn man schon einen hat, für den Gottesdienst da ist, und daß man jüdisch sein soll, wenn man Jude ist. Und so was hört man nicht gern im Tempel Isaiah.«
    »Warum sind sie dann noch dabei?«
    »Ich werd Ihnen sagen, wie's ist«, sagte er. »Meine Jungen sind beigetreten. Sie sind nicht besser als die andern, aber ich sage, daß eine Familie als Familie zum Gottesdienst gehen soll. Wenn Sie mich fragen,

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