Der Rabbi
schlaftrunken gefolgt war.
»Leben«, sagte er. Und sie sahen, wie die Sonne, gleich einem Windschutzscheiben-Defroster, den Nebel durchschnitt.
»Ich möchte hier einen kleinen Garten anlegen und ein paar Tomaten pflanzen«, sagte er. »Vielleicht auch einen Orangenbaum. Oder sind wir zu weit im Norden für einen Orangenbaum?«
»Ich fürchte«, sagte sie.
»Ich glaub's nicht«, sagte er eigensinnig.
»Dann pflanz ihn«, sagte sie. »Ach, Michael, das wird sehr gut. Es gefällt mir hier. Hier sollten wir bleiben.«
»Ganz wie du willst, Baby«, sagte er, und sie gingen ins Haus; er, um Eier in die Pfanne zu schlagen und Kaffee zu kochen, und sie, um sich ihrem Schwangerschaftserbrechen hinzugeben.
32
An diesem ersten schabess im neuen Tempel ergriff ihn die triumphierende Erkenntnis, daß Phil Golden unrecht hatte. Seine Predigt war kurz, glänzend und klug gewesen und hatte die Wichtigkeit der Identifikation aller Mitglieder mit der Gemeinde zum Thema gehabt. Vier Fünftel aller Plätze waren besetzt. Die Zuhörer folgten aufmerksam, und nach dem Gottesdienst streckten sich freundliche Hände ihm entgegen und er hörte herzliche Worte, die ihn der Unterstützung, ja selbst der beginnenden Zuneigung versicherten. Er war sicher, daß sie alle wiederkommen würden.
Und sie kamen auch fast alle am folgenden Freitag.
Am dritten Freitag war seine Zuhörerschaft schon etwas kleiner geworden.
Nach Ablauf seiner ersten sechs Wochen als Rabbiner am Tempel Isaiah waren die leeren Sitze von der bema aus schon recht deutlich zu sehen. Ihre polierten Rückenlehnen warfen die Lichter zurück wie viele spöttische gelbe Augen.
Er versuchte, sie zu übersehen und sich auf die anwesenden Gläubigen zu konzentrieren. Aber ihre Anzahl wurde von Wothe zu Woche geringer, und die Anzahl der leeren Sitze nahm zu, so viele Rückenlehnen starrten ihn mit ihren gelben Augen unverwandt an, daß er sie nicht länger übersehen konnte, bis er schließlich Phil Golden recht geben mußte. Seine Feinde.
Michael und Leslie fanden es einfach, Kalifornier zu werden. Sie gewöhnten sich ab, die steilen Hänge im Auto hinaufzufahren. Sie besuchten Golden Gate Park an einem Sonntagnachmittag, an dem die Luft die Farbe von Blütenstaub hatte, und sie saßen im Gras und riskierten Flecken in ihren Kleidern und sahen den Liebespaaren zu, die vorbeigingen und Zärtlichkeiten austauschten, während rund um sie Kinder spielten und lachten und schrien.
Leslie wurde dicker, aber nicht so häßlich und aufgebläht, wie Michael befürchtet hatte. Ihr Bauch begann sich zu wölben wie eine große Knospe aus Fleisch und Blut, nach außen getrieben von dem wachsenden Leben. Nachts schlug er jetzt manchmal die Decken zurück, schaltete die Bettlampe ein und betrachtete sie, während sie schlief. Er lächelte vor sich hin und atmete schwerer, wenn er sah, wie ihr Bauch leise erbebte unter den Bewegungen des Kindes.
Schreckliche Gedanken verfolgten ihn, Gedanken an Fehlgeburten und Blutstürze und Steißgeburten und verkrüppelte Hände und fehlende Füße und Schwachsinn, und er betete in langen schlaflosen Nächten, daß Gott sie vor all dem behüten möge.
Der Geburtshelfer hieß Lubowitz. Er war ein dicker Großvater und ein alter Praktiker, der genau wußte, wann er freundlich und wann er streng zu sein hatte. Er verschrieb Leslie Spaziergänge und Turnübungen, die zu einem raubtierhaften Appetit führten, und setzte sie dann auf eine Diät, bei der sie nie satt wurde. Michael redete mit ihr so wenig wie möglich über Gemeindeangelegenheiten, je weiter die Schwangerschaft fortschritt, denn er wollte sie nicht beunruhigen. Er selbst wurde unruhig genug, und das in steigendem Ausmaß.
Seine Gemeinde gab ihm zu denken.
Phil Goldens Familie und eine Handvoll anderer Leute erschienen verläßlich und regelmäßig zu jedem Gottesdienst. Aber mit der großen Mehrzahl der Leute, die zu seinem Tempel gehörten, hatte Michael so gut wie keinen Kontakt.
Täglich ging er in die Krankenhäuser auf der Suche nach kranken Juden, um sie zu trösten und zugleich auch kennenzulernen. Er fand auch welche, aber nur selten gehörten sie zu seiner Gemeinde.
Bei Hausbesuchen fand er die Mitglieder seines Tempels höflich und freundlich, aber merkwürdig distanziert. Ein Ehepaar namens Sternbane zum Beispiel, das in einem Patio-Apartment auf Russian Hill wohnte, sah ihn verlegen an, nachdem er sich vorgestellt hatte.
Oscar Sternbane importierte orientalische
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