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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der Fahrer sie richtig an, jetzt plötzlich hellwach.
    »Heiliger Strohsack«, sagte er, »warum sagen Sie denn nichts! « Er trat aufs Gaspedal und fuhr nun doppelt vorsichtig, aber viel schneller.
    Nach einigen Minuten begann Leslie zu stöhnen. Sie war sonst nicht wehleidig. Ihr Stöhnen hatte etwas Tierisches, Fremdes, und es erschreckte Michael.
    »Wie sind die Intervalle jetzt?« fragte er, aber sie reagierte nicht. Ihr Blick war glasig.
    »Oh - Jesus«, sagte sie leise. Er küßte sie auf die Wange. Abermals stöhnte sie, und es erinnerte ihn an das Klagen einer kalbenden Kuh im Stall. Er sah auf die Uhr, und bald danach löste sich neuerlich diese tierische Klage von den Lippen seiner Frau. Er sah abermals auf die Uhr.
    »Mein Gott, das kann doch nicht stimmen«, sagte er. »Nur vier Minuten.«
    »Beine zusammenhalten, Lady«, rief ihr der Fahrer zu, als stünde sie auf der anderen Straßenseite.
    »Was machen wir, wenn's im Wagen passiert?« fragte Michael, sah auf den Boden und unterdrückte einen Schauder.
     
    Auf der Gummimatte lag eine dicke, durchnäßte, zertretene Zigarre und sah aus wie ein Stück Kot.
    »Hoffentlich nicht«, sagte der Fahrer erschrocken. »Wenn ihr hier das Wasser bricht, dann kann ich sechsunddreißig Stunden lang nicht fahren, weil das Taxi desinfiziert werden muß. Sanitätsvorschrift.« Er flitzte um die Kurve. »Gleich sind wir da, Lady«, rief er.
    Leslie preßte ihre Füße jetzt gegen den Vordersitz. Mit jeder Wehe glitt sie tiefer, die Schultern gegen die Rücklehne und die Füße gegen den Vordersitz gepreßt, stöhnend und das Becken im Krampf nach oben gewölbt. Dabei drückte sie jedesmal den Fahrersitz nach vorn und drängte damit den Chauffeur ans Lenkrad. »Leslie«, sagte Michael, »so kann er nicht fahren.«
    »Ist schon gut«, sagte der Mann. »Wir sind da.« Er würgte den Motor ab und ließ die beiden in dem noch schütternden Wagen sitzen, während er in das rote Backsteinhaus rannte. Gleich darauf kam er mit einer Schwester und einem Krankenwärter zurück, und sie setzten Leslie in einen Rollstuhl und griffen nach ihrem Koffer und karrten sie davon, ohne Michael zu beachten, der neben dem Fahrer am Straßenrand stand.
    Er lief ihr nach und küßte sie auf die Wange.
    »Die meisten Frauen sind da wie eine Frucht vor dem Aufplatzen«, sagte der Fahrer, als Michael zurückkam. »Der Doktor wird ein bißchen quetschen, und schon platscht das Baby heraus wie reifer Samen.«
    Der Taxameter zeigte zwei Dollar und neunzig Cent an. Der Mann hatte sich beeilt, dachte Michael, und er hatte sich alle blöden Witze über werdende Väter verkniffen. So gab er ihm sechs Dollar.
     
    »Sympathieschmerzen?« fragte der Fahrer, während er die Scheine in seine Geldtasche stopfte.
    »Nein«, sagte Michael.
    »Den Vätern ist auch noch nie was passiert«, sagte der Mann und stieg grinsend in seinen Wagen.
    Die Aufnahmekanzlei des Krankenhauses war menschenleer.
    Ein Mexikaner in mittleren Jahren führte Michael im Aufzug hinauf in die Entbindungsabteilung.
    »Ist das Ihre Frau, die sie eben hereingebracht haben?« »ja«, sagte Michael.
    »Wird nicht lange dauern. Sie ist fast soweit«, sagte er.
    In der Entbindungsabteilung kam ihm ein junger Arzt mit Bürstenhaarschnitt durch die Schwingtür entgegen. »Mr. Kind?« Michael nickte. »Scheint recht gut zu gehen. Sie liegt schon im Kreißsaal.« Er strich sich mit der flachen Hand über den kurzbehaarten Schädel.
    »Wenn Sie wollen, können Sie nach Hause gehen und ein wenig schlafen. Wir rufen Sie an, sobald es etwas Neues gibt.«
    »Ich kann genausogut hier warten«, sagte Michael.
    Der Arzt runzelte die Stirn. »Es kann lange dauern, aber wenn Sie wollen
    -bitte.« Und erzeigte ihm den Weg zum Warteraum. Es war ein kleines Zimmer mit glänzend gewachstem braunem Linoleumboden, das ihn an das Heim erinnerte, in dem sein Großvater gestorben war. Auf der rohrgeflochtenen Sitzbank lagen zwei Illustrierte, eine drei Jahre alte Nummer von Time und eine ein Jahr alte Nummer von Yachting. Die einzige Lampe im Raum hatte eine zu schwache Birne.
     
    Michael ging zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Der mexikanische Liftwärter lächelte noch immer.
    »Kann ich hier irgendwo einen Drink für Sie bekommen?« fragte Michael.
    »Nein, Sir. Ich kann während der Arbeit ohnedies nicht trinken. Aber wenn Sie Zigaretten und Zeitungen und so wollen, zwei Blocks geradeaus ist ein Drugstore, der die ganze Nacht offen hat.«
    Als sie unten

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