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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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albernem Gesichtsausdruck an, lehnte sich dann zurück, lachte und hörte erst auf, als er ihren erschrockenen Blick bemerkte.
    »Ich weiß nicht, wo ich meinen Wagen stehengelassen habe«, erklärte er.

34
    Als er am Nachmittag ins Krankenhaus zurückkam, war Leslie schon wach. Sie hatte frisches Make-up aufgelegt, trug ein spitzenbesetztes Nachthemd und ein blaues Band im gutfrisierten Haar.
    »Wie sollen wir ihn nennen?« fragte er und küßte sie. »Wie wär's mit Max?«
    »Das ist ein Name aus dem schtetl, was Häßlicheres und weniger Assimiliertes hätte uns nicht einfallen können«, wandte er überglücklich ein.
    »Mir gefällt er.«
    Er küßte sie wieder.
    Eine Schwester brachte das Baby ins Zimmer. Leslie hielt es behutsam.
    »Er ist so schön«, flüsterte sie, während Michael sie voll Mitleid betrachtete. Doch im Verlauf der nächsten Tage änderte sich das Aussehen des Babys. Die Schwellung seiner Lider ging zurück, und die Augen, die nun allmählich zum Vorschein kamen, waren groß und blau.
    Die Nase sah bald weniger flachgedrückt und mehr wie eine Nase aus.
    Das häßliche Rot am ganzen Körper wich einem zarten Rosa.
    Eines Abends bereitete Michael seiner Frau Kopfschmerzen mit der ihr unverständlichen überraschten Feststellung: »Er ist doch überhaupt nicht häßlich.«
    Der Plymouth wurde schließlich mit polizeilicher Hilfe an genau der Stelle gefunden, wo er ihn damals in der Nacht geparkt hatte. Nichts fehlte als die Radkappen. Diesen Schaden, ebenso wie die fünfzehn Dollar Strafe, die er drei Tage später für verbotenes Parken auf einem Taxistandplatz zu bezahlen hatte, schrieb Michael leichten Herzens auf Geburtsspesen ab.
    Abe und Dorothy Kind konnten nicht rechtzeitig zur Beschneidung ihres Enkels nach Kalifornien kommen. Aber wenn sie schon den briss versäumten, das pidjon haben versäumten sie nicht. Dorothy wollte nicht fliegen. So nahmen sie ein Abteil im City of San Francisco, und Dorothy strickte auf der quer durchs Land führenden Reise von drei Nächten und zwei Tagen drei Paar Babyschuhe und eine kleine Mütze.
    Abe blätterte inzwischen Illustrierte durch, trank Scotch, unterhielt sich mit einem sommersprossigen Schlafwagenschaffner namens Oscar Browning über das Leben und die Politik und betrieb mit Interesse und Bewunderung Verhaltensstudien an einem Korporal der Air Force, der zwei Stunden nach der Abfahrt aus New York im Speisewagen neben einer hochmütigen Blondine zu sitzen kam und sich bis zur Einfahrt in San Francisco bereits im Schlafwagenabteil der Dame eingerichtet hatte.
    Dorothy geriet beim Anblick ihres Enkels in Verzückung. »Er sieht aus wie ein kleiner Filmstar«, sagte sie.
    »Er hat Ohren wie Clark Gable«, stimmte Abe zu. Der Großvater hatte sogleich das Amt übernommen, Max nach dem Trinken zum Aufstoßen zu bringen, wobei er sich sorgfältig eine saubere Windel über Schulter und Rücken breitete, um sich vor dem Angespucktwerden zu schützen, und regelmäßig am Ende der Prozedur einen großen nassen Fleck in der Ellbogengegend auf seinem Ärmel hatte. »Pischerke«, nannte er das Baby, ein Name, der Liebe und Mißbilligung im gleichen Maß ausdrückte.
     
    Abe und Dorothy blieben zehn Tage in Kalifornien. Sie wohnten zwei Freitagabend-Gottesdiensten bei, wobei sie steif links und rechts von ihrer Schwiegertochter saßen, während alle drei so taten, als existierten rund um sie keine leeren Sitze. »Er hätte Radiosprecher werden sollen«, flüsterte Abe nach dem ersten Gottesdienst Leslie zu.
    Am Abend vor ihrer Rückkehr nach New York machten Michael und sein Vater einen Spaziergang. »Kommst du mit, Dorothy?« fragte Abe.
    »Nein, geht nur allein. Ich bleibe bei Leslie und Max«, sagte sie und griff sich unruhig mit der Hand an die Brust.
    »Was ist los?« fragte er, die Stirn runzelnd. »Dieselbe Geschichte? Soll ich einen Doktor holen?«
    »Ich brauch keinen Doktor«, sagte sie. »Geht nur.«
    »Was heißt >dieselbe Geschichte    »Ah«, seufzte Abe. »Sie kwetscht herum. Ich kwetsch herum. Unsere Freunde kwetschen herum. Und weißt du, was es ist? Wir werden alt.«
    »Älter werden wir alle«, sagte Michael und fühlte sich etwas unbehaglich. »Aber Mama und du, ihr seid doch nicht alt. Ich wette, du stemmst immer noch deine Hanteln im Schlafzimmer.«
    »Tu ich«, sagte Abe und schlug demonstrierend auf seinen flachen Bauch.
    »War hübsch, daß du hier warst,

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