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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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angelangt waren, hielt er Michael, der eben aussteigen wollte, noch einen Augenblick zurück. »Sagen Sie, daß ich Sie hingeschickt hab, dann hab ich bei ihm nächstens was zu Rauchen gut.«
    Michael grinste. »Wie heißen Sie?« »Johnny.«
    Langsam und unterwegs betend ging er durch die neblige Dunkelheit zum Drugstore, kaufte drei Pakete Philip Morris, einen Oh Henry und einen Clark Bar, eine Zeitung, Life, The Reporter und einen Taschenbuchkrimi.
    »Johnny hat mich hergeschickt«, sagte er zum Verkäufer, während er auf das Wechselgeld wartete. »Vom Krankenhaus.« Der Mann nickte. »Was raucht er für Zigaretten?« fragte Michael. »Johnny? Ich glaube, der raucht überhaupt keine Zigaretten. Zigarillos.« Er kaufte drei Päckchen Zigarillos für Johnny. Auf dem Rückweg war der Nebel immer noch dicht, aber das erste Licht brach schon hervor. Mein Gott, sagte er stumm, laß sie gut durchkommen. Das Baby auch, aber wenn nur einer durchkommen kann, dann laß es sie sein, ich bitte dich, Gott, Amen. Johnny war entzückt von den Zigarillos. »Ihr Doktor ist schon gekommen. Und die Blase ist gesprungen«, sagte er. Zweifelnd betrachtete er all die Dinge, die Michael mitgebracht hatte. »So lange werden Sie wahrscheinlich gar nicht hierbleiben«, sagte er.
    »Der junge Arzt hat aber gesagt, es kann lange dauern«, sagte Michael.
    »Ist eben jung«, sagte Johnny. »Er ist seit acht Monaten hier. Ich bin hier seit zweiundzwanzig Jahren.« Der Summer ertönte, und er schloß die Aufzugtür.
    Michael entfaltete die Zeitung und versuchte, Herb Caens Artikel zu lesen. Schon nach wenigen Minuten war der Aufzug wieder da. Johnny kam ins Wartezimmer und nahm nahe der Tür Platz, wo er den Summer hören konnte. Er brannte eine der Zigarillos an.
    »Und was machen Sie?« fragte er. »Als Beruf?« »Ich bin Rabbiner.«
    »Was, wirklich?« Er blies nachdenklich den Rauch aus. »Vielleicht können Sie mir da Auskunft geben. Ist das wahr, daß sie eine Party geben, wenn ein jüdischer junge ein gewisses Alter erreicht hat, und damit wird er zum Mann?«
    »Die bar-mizwe. Ja, mit dreizehn.«
    »Aha. Und ist es auch wahr, daß alle andern Juden zu dieser Party kommen und Geld für den jungen mitbringen, damit er ein Geschäft eröffnen kann?«
    Michael mußte lachen, und noch ehe er soweit war, daß er hätte antworten können, stand eine Schwester in der Tür und fragte: »Mr.
    Kind?«
    »Er ist Rabbiner«, sagte Johnny.
    »Schön, dann meinetwegen Rabbi Kind«, sagte sie müde. »Meinen Glückwunsch, Ihre Frau hat soeben einen Sohn geboren.«
     
    Als er sich über sie beugte, um sie zu küssen, benahm ihm der Äthergeruch fast den Atem. Ihr Gesicht war gerötet, sie hatte die Augen geschlossen und sah aus, als wäre sie noch nicht bei Bewußtsein. Aber sie schlug die Augen auf und lächelte ihm zu, und als er ihre Hand ergriff, hielt sie die seine fest.
    »Hast du ihn gesehen?« fragte sie. »Noch nicht.«
    .,Oh, er ist schön«, flüsterte sie. »Und er hat einen Penis. Zur Sicherheit hab ich den Doktor gefragt.«
    »Wie fühlst du dich?« fragte er, aber sie war schon eingeschlafen. Bald darauf erschien Doktor Lubowitz, noch in dem Kittel, den er im Kreißsaal getragen hatte. »Wie geht's ihr?« fragte Michael. »Gut. Beiden geht es gut. Das Baby wiegt vier Pfund. Der Teufel soll diese Weiber holen«, sagte er. »Sie werden es nie lernen, daß es einfacher ist, die Kinder klein auf die Welt zu bringen und draußen großzuziehen, wo genug Platz zum Wachsen ist. Und der Doktor kann sich plagen wie ein Vieh.« Er schüttelte Michael die Hand und ging.
    »Wollen Sie ihn sehen?« fragte die Schwester. Er wartete vor dem Babyzimmer, während die Schwester die richtige Wiege suchte; als sie ihm dann das Neugeborene an die Glasscheibe hielt, stellte er mit einem Schock fest, daß es sehr häßlich war, mit rot verschwollenen Augen und einer breiten, flachgedrückten Nase. Wie soll ich ihn jemals lieben können, dachte er, und das Baby gähnte, öffnete die Lippen, zeigte einen winzigen rosigen Zahnfleischansatz und begann dann zu schreien - und Michael liebte es.
    Als er das Krankenhaus verließ, stand die Sonne am Himmel. Er wartete am Gehsteigrand, und bald kam ein Taxi vorbei, das er anrief. Eine dicke grauhaarige Frau saß am Steuer des sehr saubergehaltenen Wagens. An der Rückseite des Fahrersitzes war eine Vase mit würzig riechenden Blumen befestigt. Zinnien, dachte Michael.
    »Wohin, Mister?« fragte die Frau.
    Er sah sie mit

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