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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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zum dreifachen Preis ihres Wertes verkauft wurden, und saßen in Strandstühlen unter der blendenden Nachmittagssonne und betrachteten den Menschenstrom, der auf der Strandpromenade unaufhörlich an ihnen vorüberflutete.
    Fünfzehn Meter von ihnen entfernt lieferten einander zwei beiderseits eines Bierstandes postierte Wanderhändler einen Wettstreit in Sexualsymbolik. Der eine, in Hemdsärmeln und mit Strohhut, pries heiße Würstchen an. »DIE GRÖSSTEN FRANKFURTER DER
    WELT, NUR HIER, WIRKLICH HEISS, EINEN HALBEN METER
    LANG, JEDER ZENTIMETER EIN GENUSS«, brüllte er.
     
    »BALLONS IN ALLEN FARBEN, GROSS, RUND, PRALL, DICK
    UND SCHÖN«, antwortete ein kleiner, italienisch aussehender Mann in abgetragenen Hosen und verwaschenem blauem Pullover.
    Ein schwitzender Neger schob in einem Rollstuhl eine sehr dicke Dame mit einem nackten Baby im Arm vorbei.
    Dann folgte eine Horde College-Mädchen in Badeanzügen, die mit den untauglichen Mitteln ihrer dürren Teenager-Figuren den rührenden Versuch unternahmen, es dem wollüstigen Hüftenschwingen ihrer angebeteten Hollywood-Stars gleichzutun. Der Salzwind trug das Gemurmel einer fernen Menschenmenge an ihr Ohr, die sich vielleicht einen Kilometer weiter unten auf der Strandpromenade angesammelt hatte, untermischt mit leisen erschrockenen Schreien.
    »Das Weib auf dem Pferd ist mitten in den jam hineingeritten«, stellte Abe mit Befriedigung fest. Er atmete tief.
    »A m'chaje. Wirklich, ein Vergnügen«, sagte er.
    »Bleib hier«, sagte Michael. »Aber wenn's dir langweilig wird, denk dran, daß wir in Kalifornien auch einen Strand haben.« »Ich komm sicher auf Besuch«, sagte Abe und brannte eine Zigarre an. »Aber vergiß nicht, hier kann ich jederzeit, wenn mir danach zumut ist, in den Wagen steigen und ihr Grab besuchen. Das kann ich in Kalifornien nicht.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Wann fährst du zurück?« fragte er.
    »Wahrscheinlich morgen«, sagte Michael. »Schließlich hab ich mich um eine Gemeinde zu kümmern. Ich kann nicht für zu lange wegbleiben.«
    Nach einer Pause setzte er hinzu: »Das heißt natürlich, wenn du soweit in Ordnung bist.«
     
    »Ich bin schon in Ordnung.«
    »Pop, geh nicht zu oft zu ihrem Grab.« Der Vater gab keine Antwort.
    »Das hilft doch niemandem. Ich weiß, wovon ich spreche.«
    Abe sah ihn lächelnd an. »In welchem Alter müssen Väter eigentlich anfangen, ihren Söhnen zu gehorchen?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Michael. »Aber ich hab mit dem Tod zu tun, manchmal ein halbes dutzendmal in der Woche. Ich weiß, daß es den Lebenden nichts hilft, sich aufzuopfern. Du kannst die Uhr nicht zurückdrehen.«
    »Ist dieses Amt nicht manchmal bedrückend für dich?« Michaels Blick folgte einem schwitzenden Dicken: er trug einen Fez, der zu klein für seinen Kahlkopf schien, und hatte den Arm um eine kleine, frech aussehende Rothaarige gelegt, die kaum älter als sechzehn sein mochte.
    Im Gehen blickte sie zu ihm auf. Vielleicht ist er ihr Vater, dachte Michael mit einem schwachen Anflug von Hoffnung. »Manchmal schon«, antwortete er auf die Frage seines Vaters.
    »Die Leute kommen zu dir mit Tod und Krankheit. Ein Junge kommt mit dem Gesetz in Konflikt. Ein Mädchen wird hinter der Scheune geschwängert.«
    Michael lächelte. »Nicht mehr, Pop. Heute passiert so etwas nicht mehr hinter Scheunen, sondern in Autos.«
    Der Vater maß diesem Unterschied kein Gewicht bei. »Wie hilfst du diesen Leuten?«
    »Ich tu, was ich kann. Manchmal gelingt es mir, zu helfen, oft gelingt es nicht. Manchmal kann nur die Zeit und Gott helfen.« Abe nickte. »Ich bin froh, daß du das weißt.«
     
    »Aber ich höre immer zu. Das ist immerhin etwas. Ich kann ein Ohr sein, das hört.«
    »Ein Ohr, das hört.« Abe blickte hinaus aufs Meer, wo ein Fischdampfer scheinbar reglos stand, ein schwarzer Punkt auf blauem Horizont. »Nimm an, es kommt ein Mann zu dir und erzählt dir, daß er bis zu den Knien im Dreck gelebt hat-was würdest du ihm sagen?«
    »Ich müßte mehr von ihm hören«, sagte Michael.
    »Nimm an, ein Mann hätte den Großteil seines Lebens wie ein Vieh gelebt«, sagte er langsam. »Wie ein Hund um jeden Dollar gerauft.
    Wie ein Kater hergewesen hinter dem Geruch einer Frau. Gerannt wie ein Rennpferd ohne Jockei, noch eine Runde und noch eine und noch eine.
    Und nimm an«, fuhr er leise fort, »der Mann wacht eines Morgens auf und entdeckt, daß er alt ist und daß es keinen Menschen gibt, der ihn wirklich liebt.«
    »Pop!

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