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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der Jom-Kipur-Gottesdienst noch frisch im Gedächtnis war. Einer seiner früheren Lehrer, Dr. Hugo Nachmann, unterrichtete für einige Zeit am Rabbinischen Institut in Los Angeles. Dr. Nachmann war Experte in den Schriftenfunden vom Toten Meer. Michael lud ihn ein, nach San Francisco zu kommen und im Tempel einen Vortrag zu halten.
     
    Zu der Veranstaltung erschienen ganze achtzehn Zuhörer, von denen, wie Michael feststellte, mehr als die Hälfte nicht Mitglieder seiner Gemeinde waren. Zwei entpuppten sich als Journalisten, die Dr.
    Nachmann über die archäologischen Aspekte der Pergamentenfunde interviewen wollten.
    Dr. Nachmann machte es den Kinds nicht schwer. »Sie wissen doch, das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte er. »Die Leute haben einfach an manchen Abenden keine Lust auf einen Vortrag. Ja, wenn Sie zu einer Tanzveranstaltung eingeladen hätten ... ! «
    Am nächsten Morgen, als er mit Pater Campanelli an dem Absperrzaun vor der halbfertigen Kirche lehnte, begann Michael spontan darüber zu sprechen. »Immer wieder mache ich es falsch«, sagte er. »Ich kann es anstellen, wie ich will, ich krieg die Leute nicht in den Tempel.«
    Der Pfarrer betastete das Mal auf seiner Wange. »So manchen Morgen bin ich dankbar für die Pflichtfeiertage«, sagte er still. Ein paar Wochen später rekelte sich Michael eines Morgens im Bett, etwas niedergeschlagen bei der Vorstellung, wieder einen Tag beginnen zu müssen. Er wußte genug über die Psychologie persönlicher Verluste, um zu erkennen, daß diese Stimmung eine Nachwirkung vom Tod seiner Mutter war, aber dieses Wissen half ihm nicht, wie er da gedankenverloren in seinem Bett lag, in der Wärme seines Weibes Trost suchte und zu einem Sprung in der Schlafzimmerdecke emporstarrte.
    Der Tempel Isaiah hatte wenig zu bieten, was ihn aus dem Bett getrieben hätte; nicht einmal einen sauberen Fußboden, dachte er.
     
    Ausgerechnet vor den Feiertagen hatte der Tempeldiener, ein zahnlückiger Mormone, der drei Jahre lang das Haus peinlichst rein gehalten hatte, mitgeteilt, daß er sich nun zu seiner verheirateten Tochter nach Utah zurückziehe, um dort seine Ischias zu pflegen und seinen Geist wieder aufzurichten. Der Wirtschaftsausschuß, der nur selten zusammentrat, hatte sich wenig angestrengt, den Posten neu zu besetzen. Während Phil Golden schäumte und schalt, wurden Silber und Messing stumpf, und die Böden verloren ihren Glanz. Freilich hätte Michael einen Tempeldiener anstellen und sicher sein können, daß dessen Gehalt auf Wunsch des Rabbiners ausbezahlt würde. Aber schließlich war das Sache des Wirtschaftsausschusses. Wenigstens das werden sie für den Tempel tun müssen, dachte Michael erbittert.
    »Steh auf«, sagte Leslie und stieß ihn mit der Hüfte an. »Warum?«
    Aber siebzig Minuten später parkte er seinen Wagen vor dem Tempel. Zu seiner Verwunderung fand er das Tor unversperrt.
    Drinnen hörte er das Kratzen einer Scheuerbürste auf Linoleum und fand, da er dem Geräusch stiegenabwärts folgte, den Mann im farbbespritzten weißen Arbeitszeug kniend den Flurboden säubern.
    »Phil«, sagte Michael.
    Golden strich sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. »Ich hab vergessen, Zeitungspapier mitzubringen«, sagte er. »Wie Sie noch ein Kind waren, hat Ihre Mutter da auch am Donnerstagnachmittag alle Fußböden aufgewaschen und nachher Zeitungspapier aufgebreitet?«
    »Am Freitag«, sagte Michael. »Freitag vormittag.« »Nein, am Freitag vormittag hat sie tscholent gebacken.«
     
    »Aber was treiben Sie denn? Ein gebrechlicher alter mamser wie Sie wird doch nicht Böden reiben! Wollen Sie einen Herzanfall kriegen?«
    »Ich hab ein Herz wie ein Stier«, sagte Golden. »Ein Tempel muß rein sein. Ein schmutziger Tempel - so was darf es nicht geben. «
    »Dann sollen die einen Tempeldiener anstellen. Oder stellen Sie selbst jemanden an.«
    »Die werden noch eine Weile herumkrechzn. Man muß anfangen, an ihrer Statt was zu tun. Die werden sich nie um den Tempel kümmern. Inzwischen werden die Böden sauber sein.« Michael schüttelte den Kopf. »Phil, Phil.« Und er wandte sich auf dem Absatz um und ging hinauf in sein Büro. Dort zog er seine Jacke aus, band die Krawatte ab und krempelte die Hemdsärmel auf.
    Dann durchsuchte er mehrere Schränke, bis er noch einen Eimer samt Bürste fand.
    »Sie nicht«, protestierte Golden. »Ich brauch keine Hilfe. Sie sind der Rabbi.«
    Aber Michael kniete schon und ließ die Bürste im seifigen Wasser

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