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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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ergangen ist, dann kann diese Ausgeburt der Hölle das Aussehen seiner Opfer annehmen.«
    Der von seinem eigenen Schnarcher – eher das Röcheln eines verendenden Elchs als ein menschlicher Laut – wieder erwachte Wirt bediente sich schnell mit einem Humpen Bier und gesellte sich dann zu uns an den Tisch. Offensichtlich kannte er die Geschichte bereits, die uns erwartete, und war begierig, die Meinung von Fremden dazu zu hören.
    »Es ist erst drei Tage her, da war ich im Wald auf der Ja... auf der Suche nach, hm, nun ja, ich ... äh ...«
    Ossenstert ermunterte Gernot mit einer Handbewegung fortzufahren. »Wir haben alle kapiert, dass du ein Wilderer bist. Und der Herr von Crange weiß es sicher auch schon längst. Also mach dir deswegen keine Sorgen.«
    »Sei’s drum. Ich war also auf der Jagd nach einem fetten Braten und tastete mich so leise wie möglich durch das Gebüsch. Dabei trug ich meinen Umhang dort ...« Gernot wies auf das am Boden neben ihm liegende dunkle Kleidungsstück, das grün und braun gescheckt war. »Und deshalb war ich der Meinung, dass mich niemand bemerken würde. Wie ihr selbst seht, bin ich kein Riese von Gestalt. Meinen kurzen Wurfspieß hatte ich unter dem Mantel verborgen. Da hätte ich einen Emdener Taler verwettet, dass mich niemand sieht. Und doch, als ich mich umwandte, mehr aus Instinkt, wenn ihr versteht, was ich meine, war da keine zwei Schritte von mir dieser schwarze Dämon. – Ich bin kein Feigling, aber ihr könnt mich beim Wort nehmen, ich war für Sekunden erstarrt zu Stein. Denn als ich in sein Gesicht sehen wollte, war da nur eine verzerrte Fratze, die aber meine Züge trug. Es war, als würde ich mich selbst verhöhnen und mir Grimassen schneiden.«
    Er nahm wieder einen Schluck, und während draußen der immer stärker werdende Wind heulend seine Stimme erhob und schwarze Asche zusammen mit feurigen Funken im Kamin tanzen ließ, wartete jeder von uns stumm darauf, dass der Rotschopf weiter erzählen würde. Als er den erwartungsvollen Ausdruck in unseren Augen sah, zog er nur den Kopf zwischen die Schultern. »Das war eigentlich schon alles. Dieses Wesen war verschwunden, ehe ich mich wieder regen konnte. – Ich bin ein guter Fährtenleser, ganz gewiss, und deshalb habe ich die Umgebung abgesucht, wohl mehr, um mir selbst zu beweisen, dass es kein Trugbild war. Da war nichts zu finden auf dem Boden, kein Abdruck, wirklich nichts. Ich war schon geneigt, mir selbst nicht zu trauen, aber da fand ich die Fäden an den Dornranken, schwarze Fäden an Dornen, wo sein Mantel hängen geblieben war. Also muss er doch ein irdisches Wesen sein, wenn er ein irdisches Gewand trägt, habe ich mir gesagt. Und dennoch, sein Gesicht ... oder mein Gesicht?«
    Ich bedeutete dem Wirt, uns allen nachzuschenken, bevor ich meine Frage stellte. »Dieses Wesen, hat es irgendetwas getan, um dich anzugreifen oder zu bedrohen?«
    »Ich ... ich weiß nicht so genau. Mir war der Schrecken in die Glieder gefahren, das gebe ich unumwunden zu. Ich meine, da war etwas in seiner Hand, etwas Seltsames. Nicht direkt ein Dolch, obwohl es eine Parierstange hatte. Aber das, was eine Klinge hätte sein müssen, sah eigentümlich aus. Vielleicht so, nun, wie soll ich sagen? Erst dachte ich, wie Feuerstein, aber ...«
    Ossenstert beugte sich vor und ergriff unseren Gast beim Ärmel. »Vielleicht wie ein Eiszapfen? Sah die Klinge vielleicht aus wie ein Eiszapfen?«
    Die Augen unseres Gegenübers verengten sich zu Schlitzen. »Genau, ganz genau. Wie ein Eiszapfen.« Dann kam ein wiederholtes Achselzucken und es war klar, dass es nichts mehr zu berichten gab.
    Ich schob ihm einige Münzen hinüber und bezahlte auch den Wirt. Angesichts der bislang gewonnenen Erkenntnisse, die noch nach Dichtung und Wahrheit getrennt werden mussten, würde es schwer werden, die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Aber Bischof hin oder her, ich würde Crange nicht verlassen, bevor der Mord an dem kleinen Jungen gesühnt war. Die Dorfbewohner hatten mir alles offenbart, was sie wussten. Der Herr von Crange hatte mich in jeder Beziehung unterstützt und damit allen Anspruch darauf, dass ich mich durch meine Hilfe erkenntlich zeigte. Und, vor mir selbst als gewichtigster Grund; ich hatte mein Wort gegeben.
    In diesem Bewusstsein, mich selbst in einem Versprechen gefangen zu haben, das um jeden Preis eingehalten werden musste, machte ich mich mit meinen Gefährten auf den Weg zurück zur Burg.

Der Dieb der Seelen
    Das

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