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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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die Erkenntnis gewonnen, dass eine in die Irre führende Spur abhehakt werden kann.«
    »Du glaubst also diesen Italienern?« Ossenstert war im Grunde seines Herzens ein überzeugter Wissenschaftler und deshalb stets bereit, immer und überall Zweifel anzumelden.
    »Zum Teil. Ich glaube ihnen, dass man sie ermorden lassen will und dass der Mörder ein gewiefter Mann ist. Aber wer ist der Auftraggeber? Die beiden können selber Diebe und Mörder sein, an denen sich jemand rächen will, und weil sie Hilfe brauchen, kommen sie uns mit einem rührseligen Märchen. Der ganze Hokuspokus mit den Seelen, die der Täter ebenso in sich aufnimmt wie die Gesichter, ist in meinen Augen selbstverständlich kompletter Unsinn. – Und doch, irgendwie ahne ich, dass alles noch mehr mit Murano zu tun haben wird, als wir bisher erkennen.«
    Was sollte ich tun, meine gefechtserprobten Freunde, wie sollte ich ein solches Phantom bekämpfen? Ich musste versuchen, mich in seine Lage zu versetzen, so zu denken wie diese Kreatur, mochte sie nun Mensch oder Dämon sein. Dabei war Ausgangspunkt meiner Erwägungen, dass dieses Wesen nun seine Beute eingeholt hatte, sie in der Burg festgesetzt wusste und diesen enormen Vorteil sicherlich nicht aus der Hand geben würde. Deshalb war es für mich nur logisch, dass der Jäger ganz in der Nähe lauern und es nicht wieder auf eine Verfolgung über Aberhunderte von Kilometern ankommen lassen würde.
    Also musste ich die Rollen vertauschen, selbst zum Jäger werden, indem ich ihn mit einem Köder aus seinem Versteck lockte.
    Nun mögt Ihr entgegnen, meine so praktisch veranlagten Zuhörer, dass mich das Geschick des flüchtigen Glasmeisters und seiner nicht standesgemäßen Frau doch eigentlich gar nichts anging und ich mich besser um den Sieg der Heiligen Katholischen Kirche über den im Anabaptismus wiedergeborenen Satan hätte kümmern müssen. Dies um so mehr, als ich unbestreitbar in der Pflicht meines Herrn und Bischofs stand. Aber jenseits aller Argumente, die ich bereits angeführt habe, kümmerte mich die Kirche nicht, die es stets verstanden hat, sich selbst zu segnen. Und tatsächlich sah ich mich auch in der Pflicht den verliebten Italienern gegenüber, denen ich mehr Herzenswärme als allen Kirchenfürsten dieser Welt zutraute und die ich durch meine Order, sie mit den anderen in der Burg festzuhalten, ihres zeitlichen Vorsprungs vor ihrem Verfolger beraubt hatte. Meine letzten Zweifel an ihrer Geschichte waren noch nicht beseitigt, auf diese Weise aber mittelbar Schuld an ihrer Ermordung zu tragen, wäre eine Last, die Euer Frederik nicht auf seine Schultern laden wollte.
    Selbst zum Jäger zu werden, wie gesagt, war also meine Absicht. Dabei kam meinem Plan entgegen, dass der Mörder seinen Opfern in beiden Fällen in der unmittelbaren Nähe der Burg aufgelauert hatte, was mir nur folgerichtig erschien. Schließlich war ihm durch die Arretierung des Pärchens ein unverhoffter zeitlicher Erfolg zugewachsen, den er nicht aufs Spiel setzen wollte. Er würde also kaum riskieren, sie in den nahen Wäldern wieder aus den Augen zu verlieren. Wenn ich diesen Mann und seine Denkweise richtig einschätzte, dann würde ich draußen nicht lange auf ihn warten müssen, hielte ich ihm nur den gewünschten Köder unter die Nase. Dass dieser Köder nicht zu auffällig sein durfte, lag auf der Hand. Schließlich wird niemand ein so legendärer Mordbube, der auf eine simple Scharade hereinfällt. Nein, einem listigen Verstand wie seinem, überdies geschärften Sinnes durch seine beiden Fehlschläge, würde ich schon die Personen bieten müssen, denen sein Sinnen und Trachten galt. Zumindest aber eine davon, was mir überdies logischer erschien. Denn aus der Sicht der Jungvermählten wäre es Erfolg versprechender, durch ihre Trennung den zu täuschen, der ein Paar erwartete.

    Da ich weiß, wie viele mitfühlende Gemüter unter Euch sind, will ich mich in der Schilderung der Unterredung kurz fassen, in deren Verlauf ich die beiden Liebenden davon zu überzeugen suchte, dass Beatrice als Köder herhalten musste. Hatte er einen Jungen für eine verkleidete Frau gehalten, sollte es nun umgekehrt funktionieren. Genau diese Überlegung sollte der Mörder bei den Italienern vermuten. Mit unter die Kappe gesteckten Haaren und einer Hose statt eines Rocks sollte sich Beatrice als Junge verkleiden, doch für den Lauernden immer noch als sein Ziel erkennbar bleiben. Dies schien mir der beste Plan, der sich in der

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