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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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feuern, um den Tölpeln eine Ahnung davon zu geben, was eine zweite Ladung aus ihnen machen würde. Einer der Trottel, die in Kaminnähe gesessen hatten, war durch Hillinks überraschende Aktion dermaßen glücklich getroffen worden, dass er mit seinem Hinterteil in das offene Feuer gerollt war. Verblüffung, Schmerz und Erschrecken hatten sein Innerstes so gedrückt, dass ihm ein Donnerschlag entfleuchte, der seinesgleichen suchte. Der Furz entzündete sich zur Stichflamme und für eine Sekunde wirkte der alte Blitzescheißer wie der Satan persönlich.
    Ich hatte Mühe, nicht vor Lachen zu platzen. »Na, du Teufel mit dem feurigen Schweif, kann ich nun mit etwas mehr Demut vor den Gesandten des Bischofs rechnen? Bist du jetzt bereit, uns zu helfen und zu erzählen, was du weißt?«
    Hillink hatte in der Zeit sein Schwert gezogen und auch Ossenstert hielt eine Waffe in der Hand, eine schimmernde Phiole, von der ich wusste, dass sie eine stark ätzende Säure enthielt. Der Wirt, ein wahrer Überlebenskünstler, hatte es derweil vorgezogen, hinter den dicken Bohlen seines Tresens in Deckung zu gehen.
    Die anderen krochen durcheinander wie Asseln, über denen man unversehens den Stein gehoben hatte, und als sie wieder, mehr oder weniger zitternd, auf den Beinen standen, waren die Rollen in der Schenke klar verteilt: Wir würden befehlen und sie würden gehorchen. Zugegeben, das war nicht die passende Rolle, die ein selbst ernannter Mann des Volkes zu spielen hatte. Aber nun war keine Zeit für Artigkeiten, nun mussten Informationen her.
    Diese waren allerdings noch dürftiger, als ich befürchtet hatte, denn sie waren alles in allem nebulös und in ihrer jüngsten Fassung eher das Ergebnis fantasievoller Ausschmückung als eigener Wahrnehmung. So wollte der Fettbärtige einen Tag vor der Ermordung des Kindes im burgnahen Wald ein Wesen beobachtet haben, groß wie ein Mensch und schwarz wie die Nacht, das zwischen den Bäumen hin und her schwebte. Der Alte erzählte seine Geschichte so, wie er sie vom Töpfer gehört hatte, der längst weitergezogen war. Und die übrigen Kerle wussten nicht mehr zu berichten, als dass es ihnen im Wald in letzter Zeit nicht geheuer war und sie in den Büschen lauernde Schatten gesehen hatten, die jedoch auf den zweiten Blick stets schon wieder verschwunden waren.
    Diese nunmehr bereitwillig gegebenen, jedoch unergiebigen Auskünfte erhielten wir, nachdem der Tisch wieder aufgestellt und aus meinem Beutel – und damit letztlich aus dem Säckel des Bischofs – eine Runde geordert worden war. Es folgte eine zweite und eine dritte, doch wuchs mit der Rechnung nicht unser Wissensstand, sondern nur die Sprachbereitschaft Hand in Hand mit dem mangelnden Sprachvermögen unserer Gäste. Nachdem sie sich endlich überschwänglich für unsere generöse Einlandung bedankt hatten und auf unsicheren Beinen nach Hause geschwankt waren und der Wirt schnarchend mit dem Kopf in einer Weinpfütze halb über der Theke hing, saß außer uns nur noch der junge Rotschopf mit am Tisch.
    Mir war aufgefallen, dass er sich während des Gelages sehr zurückgehalten hatte und jetzt keineswegs einen trunkenen Eindruck vermittelte. Etwas schien ihn zu drücken, das er nicht unbedingt im Kreise seiner Kameraden hatte loswerden wollen. Ossenstert, der den gleichen Gedanken gehabt haben musste, sprach ihn mit vom Alkohol gelöster Zunge direkt darauf an. »Na, mein junger Freund, gibt es noch etwas, das wir wissen sollten, um bei der Jagd nach dem Schurken erfolgreich zu sein?«
    Der so Angesprochene wandte sich an mich, den er wohl zutreffend für den Anführer unserer kleinen Gruppe und außerdem den Nüchternsten hielt. »Ich weiß, dass Ihr mich auslachen werdet. Und doch ist es so, wie es der Töpfer herumerzählt hat, so, wie er es von dem kleinen Dietrich weiß, dem toten Jungen. Aber dieses Wesen, dieser schwarze Dämon, der den Tod bringt, der hatte auch mein Gesicht.«
    Zum zweiten Mal an diesem Abend machte sich wieder eine Stille breit, so lastend, dass man nur das Knistern der Glut in der Esse hören konnte. Der Feuerschein zeichnete groteske Schatten an die Wände und trotz der Wärme in der Schankstube schien die Zeit eingefroren zu sein. Der Rotschopf musste sich mehrmals räuspern und einen Schluck nehmen, bevor er seine Stimme wiederfand. »Ich heiße übrigens Gernot und ich bin nicht dafür bekannt, ein Märchenerzähler zu sein. Es ist so, wie ich es sage. Und wenn es dem kleinen Dietrich genauso

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