Der Raben Speise

Kürze der Zeit verwirklichen ließ. Und der wurde schließlich, wenngleich tränenreich, auch akzeptiert.
    Natürlich boten Hillink und Ossenstert ihre Begleitung an, doch ich lehnte ab. Es würde schon für einen einzelnen Mann schwierig genug, auf der Pirsch nicht aufzufallen. Drei Männer würden mehr schaden als nützen.
    Dietrichs Vater stellte die gewünschten Kleider seines toten Kindes liebend gern zur Verfügung, konnte er doch auf diese Weise dabei behilflich sein, den Mord an seinem Sohn zu rächen. Ich selbst stattete mich, eingedenk Beatrices Rat, mit einer Muskete aus. Meine Absicht war, im Dorf zu nächtigen, um mich der Beobachtung zu entziehen, falls der Mörder die Burg observieren sollte. Kurz vor Morgengrauen würde ich auf ein Zeichen hin – der Herr von Crange würde eine Schar Gänse aus der Burg treiben lassen – um die Häuser herum zum Waldrand schleichen, wo die Straße nach Norden hineinführte und kurz darauf mein Köder erscheinen sollte. Dann würde ich Beatrice, immer in Deckung bleibend, so lange folgen, bis il ladro del’anima aus seinem Versteck gelockt war. Ich hatte die Zeit bewusst so früh angesetzt, weil ich darauf spekulierte, dass unser Wild die Burg auch nachts unter Beobachtung gehalten und morgens vor Ermüdung an Wachsamkeit eingebüßt hatte.
    Der Plan war nicht schlecht, doch von Anfang an ging alles schief.
    Den Gänsen gefiel es nicht, aus ihrer gewohnten Umgebung vertrieben zu werden, weswegen sie sich, einmal aus dem Stall heraus, die Freiheit nahmen, sich im Burghof an den verrücktesten Plätzen zu verstecken, sodass die Sonne schon aufgegangen war, bis auch die letzte wieder eingefangen werden konnte. Damit war meine Möglichkeit dahin, mich im Schutze der Dunkelheit zu bewegen, und bis zum Waldrand musste ich meinen Weg im Hellen ohne Deckung zurücklegen. Zu diesen Übeln gesellte sich obendrein ein stetiger Landregen, einer der größten Feinde eines Luntenschlosses. Entsprechend hatte sich meine Muskete binnen weniger Minuten in einen nutzlosen Holzprügel verwandelt.
    Und als ich schließlich froh war, einen einigermaßen dicht belaubten Busch gefunden zu haben, unter den ich mich kauern und auf Beatrice und den Seelendieb warten konnte, sah ich das metallene Blinken vor mir auf dem Weg. Was war dies? Sollte ich dafür meinen Platz verlassen? Wie es schien, war ich hier der einzige Mensch weit und breit. Es gab nur die graue Wand des Regens vor dem braun-grünen Hintergrund des Laubes zu sehen – zu hören nur das gleichförmige Rauschen der fallenden Tropfen.
    Ich riskierte es.
    Was mich angelockt hatte, war der Lichtschimmer auf einer Silbermünze, die bis zur Hälfte im aufgeweichten Boden steckte. Als ich sie herauszog und an meinem Umhang abwischte, sah ich in einigen Schritten Entfernung eine weitere auf dem Weg in das Grün hinein. Auch die wanderte in den Beutel des Mannes, dessen Wohlstand ansonsten nur von der Laune des wankelmütigen Franz abhing. Und eine dritte funkelte mir entgegen, etwas abseits vor dem Stamm eines umgestürzten Baumes. Diesmal sogar aus purem Gold!
    Es war der älteste Trick der Welt, und ich, von eigenen Gnaden Oberschlaumeier des Fürstbischofs, fiel darauf herein. Die Silbermünzen hatten mich dummes Schaf zur Schlachtbank dirigiert, und die Goldmünze sollte dafür sorgen, dass ich mich genau an der richtigen Stelle in der richtigen Position befand, damit der Mörder maßnehmen konnte. Dies alles schoss mir wie ein Blitz durch den Kopf, sodass ich das Geräusch hinter mir mehr ahnte als tatsächlich wahrnahm.
    Ohne Zeit darauf zu verschwenden mich umzudrehen, ließ ich die Muskete fallen, warf mich aus der Hocke nach vorne und rollte mich mit derselben Bewegung auf den Rücken, mit der ich eine Pistole aus dem Gürtel zog. Etwas Schwarzes flog auf mich zu, einem riesigen Vampir gleich, mit einem runden Kopf, der, fratzenhaft verzerrt, mein eigenes Gesicht trug.
    Hätte mich Beatrice nicht darauf vorbereitet, ich wäre vor Schreck zur Salzsäule erstarrt. Der Eindruck war so unirdisch-obszön, dass trotz der Warnung eine kalte Hand meine Eingeweide zusammenzupressen schien. Gott sei dank bewirkte dieses Gefühl ein Verkrampfen meiner Hände, sodass ich dadurch zwangsläufig meine Waffe abfeuerte.
    Ich hatte kein genaues Ziel nehmen können. Daher erwischte der Schuss das Monstrum in der Höhe der Oberschenkel. Keine drei Schritte von mir entfernt traf den Angreifer die Faust eines Riesen, von der er