Der Raben Speise
fördern konnte, die wir nicht schon durch Wilken gewonnen hatten. Mein kundiger Johannes war meine letzte Hoffnung gewesen, den Auftrag des Bischofs ausführen zu können. Mein Leben hatte ich in Münster aufs Spiel gesetzt, um ihn hierher zu kriegen, und was würde es mir einbringen außer dem maßlosen Zorn des fetten Franz? Ihr werdet verstehen, meine mitfühlenden Zuhörer, dass dies mehr als nur ein Wermutstropfen war, der sich in meine Freude über das Bezwingen des Seelendiebs mischte. Doch was konnte ich im Augenblick anderes tun als mitzufeiern, um wenigstens für eine Weile die trüben Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen? So ließ ich mich schließlich von der allgemeinen Hochstimmung anstecken, aß und trank und tanzte zu den Klängen der Spielleute, bis mir schwindelte. Bevor es zu arg mit mir wurde, war ich zum Glück so vernünftig, es den Klugen unter den Gästen nachzutun und ein wenig an die frische Luft zu gehen. Doch das bisschen Auf und Ab im Hof beseitigte weder den Druck in meinem Gedärm noch das Drehen in meinem Schädel.
Also hielt ich die Torwache an, die Brücke für mich herabzulassen, und spazierte wieder in den Wald. Nach einigen tiefen Atemzügen und genauso vielen schmetternden Fürzen waren Kopf und Bauch wieder so frei, wie man es bei einem Spion des Bischofs erwarten durfte. Die anschließende Grübelei über meine eigentliche Mission brachte mich jedoch auch nicht weiter.
Ich war schon fast geneigt, in die Burg zurückzukehren, um mich wieder in diesen schwere- und gedankenlosen Zustand zu saufen, der für eine gewisse Zeit Sorgenfreiheit garantiert, als ich auf eine gänzlich andere Idee verfiel. Manchmal ist es der Lösung eines Problems dienlich, wenn man es für eine gewisse Zeit aus seinem Kopf verbannt und sich anderen Dingen zuwendet. Das ermöglicht oft eine hernach unverstellte Sicht auf die Dinge und man verwundert sich, warum man erst so spät ein Faktum erkennt, das doch so offensichtlich auf der Hand gelegen hat.
Deshalb beschloss ich kurzerhand, auf die Betäubung meiner Sinne zu verzichten und bei der kleinen Ilse mein Versprechen einzulösen. Und solltet Ihr, meine Freunde, an dieser Stelle den Verdacht hegen, ich gäbe mich ausschließlich darum als worttreuer Ehrenmann, weil ich für alles andere zu blöd wäre, so behaltet ihn für Euch!
Ich sah das Mädchen schon von weitem über die Wiesen laufen und nach frischen Blumen suchen. Bei dem miesen Wetter, das wir seit Tagen hatten, würde ihm kaum Erfolg beschieden sein.
Als es mich bemerkte, rannte es lachend auf mich zu. »Kommt Ihr heute meinetwegen?«
»So ist es. Zeig mir einmal das Horn und ich will sehen, was ich tun kann. Woher hast du überhaupt die vielen Hörner?«
»Der Koch aus der Burg schenkt sie mir. Immer, wenn Schlachttag ist und sie die Schädel auskochen. Dann suche ich Blumen oder, in schlechten Zeiten, Farne und Ranken und pflanze sie hinein. Die schönsten behalte ich für meine Hütte. Die anderen verkaufe ich, wenn ich Glück habe.«
Sie hatte wirklich eine besondere Begabung auf diesem Gebiet. Ihre ganze Hütte war ein Farbenmeer in Gelb mit Rot und vereinzelten blauen Tupfen.
»Hier, die Spitze ist ab, das Horn kann kein Wasser und keine Erde mehr halten. Jemand hat es kaputt gemacht und dann einfach dahin geworfen.«
Das Ding, das sie mir in die Hand drückte, war ein schlankes, beinahe gerades Kuhhorn. An der Stelle, an der sich die Spitze befunden hatte, war der Rand schwarzbraun verfärbt.
»Oh, ich glaube, das lässt sich wieder heile machen. Geh zum Ufer und such einen möglichst runden Stein, der etwas größer als das Loch ist. Den stecken wir hinein und verschmieren das Ganze mit ein bisschen Lehm. Dann wird es schon wieder gehen.«
Ihr Gesichtsausdruck verriet ihre Zweifel an meinem wenig vollkommenen Vorschlag. »Aber es sieht doch nicht mehr schön aus.«
»Das macht nichts, denn ich kaufe es, weil es mir auch so gefällt. Und jetzt such schnell den Stein.«
Mit einem passenden Stück war sie in Windeseile wieder da.
»Na, siehst du! Das werden wir gleich haben.« Ich ließ den Stein in das Horn fallen, der fast bis zum Ende durchrutschte. »Nun brauch ich noch einen Stock, um ihn festzudrücken, und dann noch etwas Lehm. Wenn du es mir dann noch schön bepflanzt, gebe ich dir den doppelten Preis, den du sonst bekommst.«
Mit einem Jauchzer lief Ilse in ihre Hütte und brachte mir einen kleinen Besen. »Vielleicht geht es mit dem Stiel.« Und ohne meine
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