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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Antwort abzuwarten lief sie zum Flussufer, um dort nach Lehm zu kratzen. Derweil mühte ich mich, den Stein so weit wie möglich in die Hülle zu pressen. Er schien von der Größe her genau richtig, doch als ich ihn fast bis zum Ende durchgestoßen hatte, platzte der dunkle Rand ab und der Stein fiel zu Boden. Jetzt hatte ich Dummkopf in meinem Ungeschick das Horn gänzlich unbrauchbar gemacht. Natürlich würde ich es trotzdem kaufen, aber Ilse war ein feinfühliges Geschöpf und würde spüren, dass ich es bloß aus Mitleid tat. Was war ich nur für ein Trottel!
    In Gedanken hatte ich den abgeplatzten Ring aufgehoben und durch die Finger gleiten lassen. Er fühlte sich viel spröder an als der Rest des Horns und war so wenig nachgiebig, dass ich ihn ohne große Kraft entzweibrechen konnte. War er verbrannt?
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen habe. Ich hielt die beiden Teile noch in der Hand, als mich das Mädchen, das schon eine Weile vor mir stand, fragte, ob mir etwas fehlen würde oder ob ich krank sei.
    Nun, meine Freunde, habe ich eben noch gesagt, dass ich ein Dummkopf und Trottel bin? Das ist nicht richtig; denn tatsächlich bin ich ein riesengroßer Dummkopf und ein ausgemachter Trottel. Und sollten wir uns einmal über den Weg laufen und Ihr werdet mich so bezeichnen, glaubt mir, ich werde Euch nicht widersprechen, weil ich mich immer an den Fall des ermordeten Conrad und daran erinnern werde, dass ich ihn nur mit der Hilfe eines Kindes gelöst habe.
    Ich griff in meinen Gürtel und drückte dem verdutzten Mädchen mehr Geld in die Hand, als sein Vater in einem Monat verdienen konnte. »Hier, mein kleiner Engel, ich kaufe das Horn so, wie es ist. Und jetzt renn so schnell du kannst zur Burg rüber und hol mir den Medicus. Er soll seine Instrumente mitbringen. Lauf!«
    Nicht lange und ich hörte Ossenstert unter dem Gewicht seiner Satteltaschen lamentierend durch die Wiesen stapfen. »Was sind das wieder für Grappen von dir, dass ein armer, alter Medicus, der seine Arbeit schon getan hat, wieder ...«
    »Schweig und komm in den Keller! – Und du, Ilse, lauf zurück zur Burg und sag dem Herrn von Crange, er soll alle noch einmal vollzählig in der Halle versammeln.«
    Wieder ging es hinab in die modrige Kälte, wieder wurden die Leuchter entzündet. Obwohl es hier unten erbärmlich kalt war und fast zu frieren schien, hatte die Verwesung ihren Fortgang genommen. Zu sehen war davon nicht viel, aber es hing diese fleischliche Fäulnis in der Luft, die man nie mehr vergisst, wenn man sie einmal gerochen hat.
    Conrads Leichnam lag noch auf dem Bauch, so wie Ossenstert ihn verlassen hatte. »Fass an, Johannes, wir müssen ihn umdrehen.«
    »Ich habe ihn heute schon von allen Seiten untersucht und ihn umgedreht. Eben umdrehen, jetzt umdrehen, weißt du eigentlich, was du willst? Auch wenn ich Arzt bin, meinst du, es macht mir Spaß, einen Toten ...«
    »Halt den Mund und tu, was ich dir sage. Du wirst noch jedes Quäntchen Luft brauchen.«
    »Schon gut, schon gut. – Und jetzt?«
    »Schneid ihm den Bauch auf!«
    »Was?!« Ossenstert war ehrlich entsetzt. »Hat sich dein Gemüt verwirrt, ist dein Geist umnachtet? Weißt du, was du da von mir verlangst? Das ist Leichenschändung, das ist Gotteslästerung. Dafür wird man aufgehängt – wenn man Glück hat. Ich werde ...«
    »Tu nicht so, als ob es das erste Mal für dich wäre! Du wirst ihn aufschneiden, weil ich nur so den letzten Beweis führen kann, dass Conrad ermordet worden ist. Und wenn alles so ist, wie ich denke, dann weiß ich auch, von wem. Und jetzt mach dich ans Werk, wenn du nicht willst, dass ich dem Bischof sage, dass du dich geweigert hast, bei der Aufklärung des Mordes zu helfen ...« Mein Medicus kannte den fetten Franz, seine Launen und – vor allem – seine Geldgier so gut wie ich. Was ihn nun wirklich an die Arbeit trieb, war mein Zusatz: »... und bei der Auffindung des Goldes.«
    »Du musst mir nicht immer gleich eine herrliche Zukunft in Aussicht stellen, ich dachte, wir wären Freunde. – Nun gut, aber dann halte dir lieber dies unter die Nase. Ich habe keine Lust, mich auch noch um eine zweite Leiche kümmern zu müssen.« Mit diesen Worten reichte er mir aus seiner Satteltasche ein Sträußchen getrockneter Kamille, gemischt mit Lavendel. Im ersten Moment fand ich den Geruch aufdringlich süß, doch sollte ich Ossenstert gleich darauf über die Maßen dankbar sein.
    Er selbst stopfte sich zwei Blüten in die

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