Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
der feuchten Haut über dem Schlüsselbein hinterlassen hatte. Cooper konnte nicht umhin, den Blick zu Quinns rechtem Zeigefinger zu senken, der an dem Abzugsbügel
lag. Das vorderste Glied seines Fingers bewegte sich ein wenig. Hatte er es dem Abzug ein Stück näher gebracht, als er den Namen Joe Cooper erwähnte?
»Ich weiß, was mit ihm passiert ist«, sagte Quinn. »Er ist gestorben.«
»Ja.«
»Es hat mir sehr leid getan, als ich es gehört hab.«
Cooper hatte das Gefühl, als wäre ihm die Luft abgeschnürt worden. Was er soeben gehört hatte, war das Letzte, womit er gerechnet hatte.
»Leid? Es hat Ihnen leid getan?«
»Ich hab’s erst erfahren, als ich die Tafel in Edendale gelesen hab. Es hat mir leid getan, wirklich leid getan. Das ist keine Art und Weise zu sterben.«
Cooper hatte keinen Zweifel daran, dass es sich um Sarkasmus handelte. Quinn verhöhnte ihn. Allerdings war seine Stimme monoton, und Cooper entdeckte keine Emotionen in Quinns Spott. Genau genommen schienen seine Worte sogar zu stocken und in der Luft der Kammer abzusterben, als fehlte es ihnen an Überzeugung, um die Wände zu erreichen. Sie sanken nach unten wie Kohlendioxid, das sich am tiefsten Punkt der Höhle niederlässt, und ihre Bedeutung wurde von der Schlickschicht auf dem Boden verschluckt.
Natürlich hatte Quinn alle echten Gefühle bereits vor langer Zeit erstickt. Alle Gefühle bis auf jene tief sitzende, verzehrende Wut.
Quinn spannte sich an, und er betrachtete Cooper im gelblichen Licht interessiert.
»Das wollte ich Ihnen nur sagen«, fügte er hinzu.
Gegen seinen Willen schloss Cooper die Augen. Ihm war klar, dass es jetzt passieren würde, und er wollte nicht den Ausdruck in Quinns Augen sehen, wenn er den Abzug der Armbrust betätigte.
In diesem Moment merkte Cooper, wie sich seine Sinneswahrnehmung
intensivierte. Er spürte, wie ihm seine verschwitzte Bekleidung am Körper klebte und wie ihn die unterirdische Kälte an den Händen und im Gesicht schmerzte. Er schmeckte die Feuchtigkeit in der Luft und nahm die Gerüche von Schlamm, von Fels und von feuchtem Erdreich wahr, die ihn an die Gerüche eines Grabes erinnerten.
Cooper horchte auf Atemgeräusche, konnte jedoch nicht einmal sich selbst atmen hören. Er vernahm nur das leise Zischen des Leuchtstabs und das Plätschern des Wassers, das von der Decke tropfte, während er auf das dumpfe Geräusch wartete, mit dem der Pfeil den Schusskanal verlassen würde.
43
Als Diane Fry endlich Alistair Pages Haus im Lunnen’s Back fand, war ihr übel. Der Aufenthalt in der Höhle hatte den Druck in ihrem Kopf verstärkt, bis sie dachte, er würde platzen. Sie konnte ihrem Heuschnupfen nicht die alleinige Schuld geben, wenngleich er dafür gesorgt hatte, dass sie sich seit Tagen schlecht fühlte. Jetzt verschlimmerten Sorgen ihren Zustand. Nein, nicht Sorgen, sondern Angst.
Nachdem das Boot sie endlich zur Landungsbrücke zurückgebracht hatte, waren sie die Treppenstufen hinaufgestiegen und hatten festgestellt, dass Alistair Page verschwunden war.
»Mr. Hitchens ist nicht erfreut«, sagte Gavin Murfin, nachdem er mit dem Revier in der West Street telefoniert hatte. »Er möchte wissen, wie du es rechtfertigst, dass du die Spezialeinheit aus dem Speedwell-System abziehst. Er sagt, du wärst dazu nicht berechtigt, Diane.«
»Seine Rechtfertigung bekommt er schon noch«, erwiderte Fry. »Er soll sich gedulden.«
»Ist das Page?«, fragte Murfin.
»Wo?«
»Da drüben an der Ecke, gleich unterhalb vom Haus. Dort schleicht jemand unter der Straßenlaterne herum.«
»Nein«, sagte Fry, »aber das ist jemand, mit dem ich mich unterhalten möchte. Das ist Raymond Proctor.«
Als Ben Cooper nach einigen Sekunden die Augen öffnete, rechnete er damit, Mansell Quinns Gesicht im Licht des
Leuchtstabs gelblich schimmern zu sehen. Doch Quinn war weg, und das Licht ebenfalls. Er war von Finsternis umgeben. Von völliger Finsternis.
Cooper stand auf. Das war das Einzige, wozu er genug Selbstvertrauen hatte. Trotzdem verlor er dabei beinahe das Gleichgewicht. In seinem Kopf drehte sich alles, und er ruderte mit den Armen, als er versuchte, sich zu orientieren. Ohne Licht ließ sich nicht einmal beurteilen, wo oben war und wo unten. Doch nach einem Moment der Panik beruhigte er sich wieder. Er versuchte, eine Zeit lang ruhig auf der Stelle zu stehen, damit das Kribbeln in seinen Beinen nachließ. Da er so lange auf dem feuchten Fels gesessen hatte, war er völlig
Weitere Kostenlose Bücher