Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
Stummelarme ausliefen. Fry hatte gehört, dass die Planer darauf bestanden, damit Feuerwehrfahrzeuge genug Platz zum Wenden hatten. Ansonsten diente diese neue Erfindung allein dazu, den Anwohnern das Gefühl zu vermitteln, auf Distanz zum vorbeigehenden Pöbel zu wohnen, aber trotzdem in unmittelbarer Nähe zu den Geschäften zu sein.
Als sie in die Straße einbogen, gingen zwei junge Männer in dunklen Anzügen und weißen Hemden auf eines der Häuser zu. Sie hatten kurzes Haar und trugen Leder-Schultaschen.
»Vorsicht«, sagte Murfin. »Jehovas.«
»Was?«
»Zeugen Jehovas. Bleib nie auf der Straße stehen, sonst erwischen sie dich.«
»Konzentrier dich lieber auf die Arbeit, Gavin.«
Nachdem sie einen Parkplatz gefunden hatten, waren die beiden jungen Männer bereits verschwunden – vielleicht hatte sie tatsächlich jemand eingelassen. Als sich Fry in der Sackgasse umsah, wurde ihr bewusst, dass es sich um eines der letzten Bauprojekte handeln musste, die in Castleton vor der Verschärfung der Nationalpark-Baubestimmungen umgesetzt worden waren. Um dem Zustrom wohlhabender Ortsfremder Einhalt zu gebieten, wurden inzwischen nur noch Einheimischen, die seit mindestens zehn Jahren im Ort wohnten oder enge Familienangehörige in der Region hatten, Baugenehmigungen für erschwingliche Häuser erteilt.
»Tja, ich bin nicht einheimisch genug«, erwiderte Murfin, als sie die Situation ansprach. »Und ich bin mir verdammt sicher, dass du es auch nicht bist. Brummies werden hier vermutlich gelyncht.«
»Ich komm nicht aus Birmingham, sondern aus dem Black Country.«
»Du klingst aber wie ein Brummie. Vielleicht solltest du lieber mich mit ihr reden lassen, Diane.«
»Was macht Dawn Cottrill denn beruflich?«, fragte Fry.
»Sie ist Dozentin am High Peak College. Wirtschaftsgeschichte.«
»Also gebildet.«
»Ja, offensichtlich.«
»Vielleicht solltest du dann doch lieber mich reden lassen, Gavin.«
Dawn Cottrill hatte eisengraues, zum Bubikopf geschnittenes Haar. Ihr Gesicht war blass, und ihre Wangenknochen stachen hervor. Fry hatte beinahe den Eindruck, dass der Tod ihrer Schwester ihr Haar über Nacht hatte ergrauen lassen und der Schmerz ihre Gesichtszüge verhärtet hatte.
»Man mag kaum glauben, dass noch einmal so etwas geschehen konnte«, sagte Mrs. Cottrill. »Aber dieses Mal...«
»Ja, ich verstehe«, sagte Fry. »Wenn man glaubt, etwas würde längst der Vergangenheit angehören, ist es sehr erschütternd.«
Sie waren durchs Haus auf eine hölzerne, zum Teil mit Teppich ausgelegte Veranda mit Blick auf den Garten geführt worden. Auf dem Tisch standen Gläser und ein Krug mit Fruchtsaft und Eiswürfeln. Fry und Murfin saßen auf einer Couch, auf der eine blaue Decke und etliche Kissen lagen.
Dawn Cottrill hatte sich mit dem Rücken zur Sonne gesetzt, da sie vermutlich vermeiden wollte, beim Sprechen ins Licht blicken zu müssen. Sie schenkte ihnen mit sicherer Hand ein. Fry war von der Selbstbeherrschung der Frau beeindruckt – ein beruhigendes Zeichen, da sie ihr heikle Fragen stellen musste.
»Mrs. Cottrill, wissen Sie zufällig, wann Ihre Schwester ihren Exmann Mansell Quinn zum letzten Mal gesehen hat?«
»Das muss bei Rebeccas letztem Besuch im Gefängnis gewesen sein. Nicht in der offenen Vollzugsanstalt von Sudbury, sondern etwa zwei Gefängnisse davor. Es tut mir leid, aber es
hatte den Anschein, als wäre er ständig von einem Gefängnis ins nächste verlegt worden. Ich glaube, dieses befand sich irgendwo in Lancashire.«
»Und dieser letzte Besuch liegt einige Jahre zurück, nicht wahr?«
»Oh, ja. Ich fürchte, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie lange es her ist. Aber Andrea war noch ziemlich klein.«
»Aber es war vor der Scheidung und ihrer erneuten Heirat?«
»Natürlich. Rebecca war mit Maurice Lowe nur achtzehn Monate verheiratet gewesen, als er starb. Er bekam einen Herzinfarkt beim Squashspielen. Ich war immer der Meinung, dass dieser Sport für einen Mann in seinem Alter zu anstrengend ist.«
Mrs. Cottrills Stimme geriet ins Stocken. Sie wischte sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Hände waren schmal, und die Adern und Sehnen waren unter der Haut deutlich zu erkennen.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Ich habe eine ziemlich schwere Zeit hinter mir. Gott sei Dank sind die Kinder alt genug, um besser damit umgehen zu können. Sie haben sich nämlich beide Sorgen wegen der Entlassung ihres Vaters gemacht. Mehr Sorgen als Rebecca
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