Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
die Sache kein bisschen besser.
Sie war schwanger. Punkt, aus. Tatsache.
Und sie würde es Karl sagen müssen.
Vor ihrer Heirat, die inzwischen fünf Jahre zurücklag, hatte ihr Mann ganz unmissverständlich erklärt, dass er keine zweite Familie wollte. Er war fünfundzwanzig Jahre älter als sie, hatte zwei Söhne, die nicht nach seinen Vorstellungen geraten waren, und eine Exfrau, die nichts als Ärger machte. Er hatte sehr deutlich gemacht, dass er keine Lust hatte, diese Erfahrung zu wiederholen.
Für einen schwachen Moment gestattete Dawn sich die Hoffnung, dass er seine Meinung ändern würde, sobald er die Nachricht hörte, doch sie wusste, dass es nur eine Wunschvorstellung war. Karl hatte noch nie seine einmal gefasste Meinung geändert, und er reagierte auch ziemlich wütend, wenn man seine Wünsche missachtete.
Die Ampel sprang endlich auf Grün, und während sie in die Bayswater Road einbog, nahm sie die Zigarettenpackung aus der Ablage und schüttelte sich eine Zigarette heraus. Sie würde das Rauchen aufgeben, das schwor sie sich – aber noch nicht gleich … zuerst musste sie sich einen Plan zurechtlegen.
Wenn sie darauf bestand, das Kind auszutragen, was würde Karl dann tun? Würde er sie auf die Straße setzen, ohne Geld, ohne alles? Der Gedanke jagte ihr Angst ein. Sie hatte es weit gebracht seit ihrer Kindheit in einem Reihenhaus in East Croyden, und sie hatte nicht vor, all das wieder aufzugeben, was sie erreicht hatte. Wenigstens das hatte Natalie begriffen. Du hast doch auch Rechte, hatte Natalie gesagt, doch Dawn hatte nur den Kopf geschüttelt. Karl hatte einen sehr teuren Anwalt engagiert, und sie war sich sicher, dass weder er noch sein Anwalt sich von so einer Kleinigkeit wie ihren verbrieften Rechten würden abschrecken lassen.
Und natürlich rechnete sie bei alldem noch damit, ihn irgendwie
davon überzeugen zu können, dass das Kind von ihm war.
Bei diesem Gedanken durchfuhr sie unwillkürlich ein Schauder. Alex. Sollte sie es Alex sagen? Nein, das wagte sie nicht. Er würde verlangen, dass sie Karl verließ, würde behaupten, sie könnten doch zu dritt glücklich und zufrieden in seiner winzigen Wohnung an der Portobello Road leben. Er würde darauf bestehen, dass Karl sie gehen ließ.
Nein, sie würde mit Alex Schluss machen müssen, in seinem eigenen Interesse; irgendwie würde sie ihn davon überzeugen müssen, dass es nur eine flüchtige Affäre gewesen war. Als sie sich auf das Verhältnis mit Alex eingelassen hatte, war ihr nicht klar gewesen, welch einen gefährlichen Kurs sie da steuerte – und sie hatte auch nicht geahnt, dass sie sich ausgerechnet den Mann zum Liebhaber gewählt hatte, den ihr Mann ihr nie verzeihen würde.
Der Verkehr begann zügiger zu rollen, und schon bald – zu bald, wie es schien – erreichte sie Notting Hill Gate. Die abendliche Pendlerschar drängte zu den Eingängen der U-Bahn wie Lemminge auf dem Marsch zum Meer – Zeitungen und Weihnachtseinkäufe unter die Arme geklemmt, eilten sie nach Hause, zu ihrem Vorstadtleben, das aus Babys, Fernsehen und Fertiggerichten bestand. Das Bild versetzte ihr einen Stich, und mit dem Neid und dem Bedauern kamen die Tränen, die in letzter Zeit beim geringsten Anlass zu fließen begannen. Verärgert tupfte sich Dawn die unteren Wimpern – sie würde keine Zeit mehr haben, ihr Make-up aufzufrischen. Sie war ohnehin schon spät dran, und Karl würde erwarten, dass sie fertig wäre, wenn er nach Hause kam, um sie für ihre Einladung zum Abendessen abzuholen.
Karl lebte vom äußeren Schein, und sie wusste inzwischen nur zu gut, dass er sie genauso skrupellos an sich gerissen hatte wie eines seiner Ölgemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert oder ein besonders schönes Porzellangeschirr. Was sie in
ihrer Naivität für Liebe gehalten hatte, war nichts als Besitzanspruch gewesen – und sie war das Juwel, das er schon im Hinblick auf die Fassung gekauft hatte, in die er es setzen würde.
Und was für eine Fassung es war, dieses Haus im Grünen auf der höchsten Erhebung von Notting Hill, gleich gegenüber der St. John’s Church mit ihrer verblichenen Eleganz. Anfangs hatte Dawn es geliebt, dieses viktorianische Haus mit seinem blassgelben Putz, seinen hervorragend proportionierten Räumen und der wunderschönen Ausstattung, und einen Augenblick lang gab sie sich der Trauer um diese unschuldigen Freuden hin.
An diesem Abend waren die Fenster dunkel, als sie in die Einfahrt einbog; das Licht der
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