Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Theoretiker, die sich durch ein Übermaß an Eitelkeit und einen ausgeprägten Hang zur Zügellosigkeit auszeichneten.
    Devereaux hatte sie alle studiert und war zu der Überzeugung gekommen, dass dies für alle ihre Führer galt, diese selbst ernannten Vorkämpfer der Arbeiterklasse. Und es galt für den Nahen Osten ebenso wie für Westeuropa, Südamerika oder den Fernen Osten. Imad Mugniyah, Georges Habash, Abu Abas, Abu Nidal und all die anderen Abus hatten nie in ihrem Leben auf eine Mahlzeit verzichten müssen. Die meisten hatten studiert.
    Seiner Theorie zufolge hatten alle diese Leute, die anderen befahlen, in einem Restaurant eine Bombe zu zünden, und sich
hinterher an den Bildern der Zerstörung weideten, eines gemeinsam: Sie besaßen eine erschreckende Fähigkeit zum Hass. Dies war die genetische »Voraussetzung«. Der Hass war zuerst da, das Objekt konnte später kommen und tat es gewöhnlich auch.
    Auch das Motiv kam erst an zweiter Stelle, nach der Fähigkeit zum Hass. Dies konnte die bolschewikische Revolution sein oder eine der vielen Spielarten nationaler Befreiung, antikapitalistischer Eifer oder religiöse Inbrunst.
    Doch der Hass kam stets zuerst, dann die Sache, dann das Objekt, danach die Methoden und am Ende die Selbstrechtfertigung. Und Lenins »nützliche Idioten« schluckten es immer.
    Devereaux war fest davon überzeugt, dass die Al-Qaida-Führung genau diesem Muster entsprach. Ihre Gründer waren ein millionenschwerer Bauunternehmersohn aus Saudi-Arabien und ein Facharzt aus Ägypten. Es war ohne Bedeutung, ob ihr Hass auf Amerikaner und Juden weltliche Gründe hatte oder religiös motiviert war. Es gab nichts, absolut nichts, was Amerika oder Israel, von der Selbstvernichtung einmal abgesehen, tun konnten, um sie zu beschwichtigen oder zufrieden zu stellen.
    Keiner von ihnen scherte sich um die Palästinenser. Sie lieferten ihnen nur einen Vorwand und eine Rechtfertigung. Sie hassten Amerika nicht für das, was es tat, sondern für das, was es war.
    Er erinnerte sich daran, wie er mit dem alten britischen Spionagechef am Fenstertisch im Whites gesessen hatte , als draußen linksgerichtete Demonstranten vorbeizogen. Abgesehen von den üblichen ergrauten Sozialisten, die Lenins Tod nie ganz hatten verwinden können, waren viele junge Briten beiderlei Geschlechts darunter, die eines Tages eine Hypothek aufnehmen und die Konservativen wählen würden, und scharenweise Studenten aus der Dritten Welt.
    »Sie werden Ihnen niemals verzeihen, mein Junge«, sagte er alte Mann. »Erwarten Sie es nicht, dann werden Sie nicht enttäuscht.
Amerika hält den anderen den Spiegel vor. Hier Reichtum, dort Armut, hier Stärke, dort Schwäche, hier Tatkraft, dort Trägheit, hier Fortschritt, dort Rückschritt, hier Kreativität, dort Ratlosigkeit, hier Optimismus, dort Zaudern, hier Zielstrebigkeit, dort Stillstand.
    Es braucht nur ein Demagoge aufzustehen und zu rufen: ›Alles, was die Amerikaner besitzen, haben sie uns gestohlen‹, und sie werden es glauben. Wie Shakesspeares Caliban werden die Fanatiker in den Spiegel blicken und vor Wut über das, was sie sehen, brüllen. Aus Wut wird Hass, und der Hass braucht ein Objekt. Die Arbeiterklasse der Dritten Welt hasst Ihr Land nicht, sondern die Pseudointellektuellen. Sie können Ihnen niemals vergeben, das käme einer Selbstanklage gleich. Bislang hat ihrem Hass die Waffe gefehlt. Eines Tages werden sie diese Waffe besitzen. Dann wird Amerika kämpfen müssen oder untergehen. Und es werden nicht nur ein paar Dutzend sterben, sondern Zehntausende.«
    Dreißig Jahre später war Devereaux davon überzeugt, dass der alte Brite Recht gehabt hatte. Nach den Anschlägen in Somalia, Kenia, Tansania und Aden befand sich sein Land in einem neuen Krieg und wusste es nicht. Und die besondere Tragik dabei war, dass auch das Establishment den Kopf in den Sand steckte.
    Der Jesuit hatte um eine Versetzung an die vorderste Front gebeten, und diese Bitte wurde ihm erfüllt. Jetzt stand er unter Zugzwang. Seine Antwort war das Projekt Peregrine. Er hatte nicht die Absicht, mit UBL zu verhandeln oder den nächsten Anschlag abzuwarten, ehe er reagierte. Er hatte die Absicht, den Feind seines Landes vorher zu vernichten. Er wollte, um in Pater Xaviers Bild zu bleiben, mit seinem Speer zustoßen, ehe ihm das Messer zu nahe kam. Die Frage war nur, wo? »Irgendwo in Afghanistan« klang zu vage. Er musste es genauer wissen, bis auf hundert Quadratmeter genau, und es musste

Weitere Kostenlose Bücher