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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Er soll unverzüglich alle nötigen Schritte veranlassen.«
    »Und an die surinamesische Regierung in Parbo.«
    »Nein, an die nicht. Die sollen ruhig weiterschlafen.«
    »Paul, die könnten ihn festnehmen, sowie er in Parbo landet. Unsere Jungs in der Botschaft bestätigen dann, dass der Pass gefälscht ist. Die Surinamesen beschuldigen ihn des Passbetrugs und setzen ihn in die nächste Maschine nach Hause. Zwei Marines begleiten ihn. Wir verhaften ihn bei der Landung, und er wandert in den Knast, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann.«
    »Kevin, hören Sie zu. Ich weiß, es ist hart, und ich kenne Morenos Ruf. Aber wenn unser Mann eine dicke Brieftasche hat, könnte er sich einer Festnahme in Surinam entziehen. Und hier könnte er nach einem Tag gegen Kaution wieder freikommen und untertauchen.«
    »Aber Paul, Moreno ist eine Bestie. Dem würden Sie nicht einmal Ihren schlimmsten Feind ausliefern...«
    »Und Sie wissen nicht, wie wichtig der Serbe für uns alle ist. Und was für ein Paranoiker. Möglicherweise bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Er muss wissen, dass für ihn keine Gefahr mehr besteht, nicht die geringste, sonst steigt er womöglich aus, und ich brauche ihn.«
    »Und Sie können mir immer noch nicht sagen, wofür?«
    »Bedaure, Kevin. Noch nicht.«
    Der Stellvertreter zuckte unzufrieden mit den Schultern, fügte sich aber.
    »Okay, aber das müssen Sie mit Ihrem Gewissen abmachen, nicht ich.«

    Und genau darin bestand das Problem, dachte Paul Devereaux, als er wieder allein in seinem Büro war und auf die dichten grünen Wälder zwischen ihm und dem Potomac blickte. Konnte er das, was er tat, vor seinem Gewissen verantworten? Er musste es. Das kleinere Übel, das übergeordnete Gute.
    Der Unbekannte mit dem falschen Pass würde keinen leichten Tod haben und nicht um Mitternacht sanft entschlafen. Aber er hatte sich freiwillig in Gefahr begeben, es aus eigener Entscheidung getan.
    An diesem Tag, dem 18. August, stöhnte Amerika unter der Sommerhitze, und das halbe Land suchte Abkühlung am Meer, an Flüssen und Seen, in den Bergen. Und an der Nordküste Südamerikas ließen die hundert Prozent Luftfeuchtigkeit, die aus dem dampfenden Dschungel im Hinterland in die Städte drückten, die vierzig Grad in der Sonne noch ein paar Grad heißer erscheinen.
    Im Hafen von Parbo, von der Mündung zehn Meilen den braunen Surinam-Fluss hinauf, war die Hitze mit Händen zu greifen und lag wie ein Tuch über Lagerhäusern und Kais. Die Straßenköter suchten hechelnd schattige Plätzchen auf, wo sie die Stunden bis Sonnenuntergang verbringen konnten. Die Menschen saßen unter langsam rotierenden Ventilatoren, die lediglich die heiße Luft verteilten.
    Die Dummen schütteten zuckerhaltige Getränke wie Limonade und Cola in sich hinein, die Durst und Wasserverlust nur noch verstärkten. Die Erfahrenen blieben bei heißem süßem Tee, was verrückt klingen mag, aber, wie die Schöpfer des britischen Empire zweihundert Jahre zuvor festgestellt hatten, die allerbeste Methode war, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
    Die Tobago Star, ein Fünfzehnhundert-Tonnen-Frachter, kroch den Fluss herauf, legte am zugewiesenen Kai an und wartete bis zum Einbruch der Dunkelheit. In der kühleren Dämmerung löschte sie ihre Ladung, darunter auch eine unter Zollverschluss befindliche Kiste, die einem US-Diplomaten namens
Ronald Proctor gehörte. Sie kam in einen mit Maschendraht gesicherten Teil des Lagerhauses, wo sie auf ihre Abholung wartete.
     
    Paul Devereaux hatte Jahre mit dem Studium des Terrorismus im Allgemeinen und seinen aus der arabischen und islamischen Welt hervorgegangenen Erscheinungsformen, die nicht unbedingt identisch waren, im Besonderen zugebracht.
    Vor langer Zeit schon war er zu dem Ergebnis gelangt, dass das übliche Gejammer im Westen, wonach der Terrorismus in der Armut und Not jener wurzle, die Fanon »die Verdammten dieser Erde« genannt hatte, nur bequemes und politisch korrektes Psychogeschwätz war.
    Von den Anarchisten im zaristischen Russland bis zur IRA von 1916, von der Irgun und der Sternbande bis zur EOKA in Zypern, von der Baader-Meinhof-Gruppe und der Rote Armee Fraktion in Deutschland, der CCC in Belgien, der Action Directe in Frankreich, den Roten Brigaden in Italien, der Rengo Sekigu in Japan über den Leuchtenden Pfad in Peru bis zur heutigen IRA in Nordirland oder der ETA in Spanien entsprang der Terrorismus den Köpfen gebildeter, aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammender

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