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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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innerhalb von dreißig Minuten geschehen.

    Er wusste, dass ein Anschlag bevorstand. Jeder wusste es, Dick Clarke im Weißen Haus, Tom Pickard in der FBI-Zentrale im Hoover-Gebäude, George Tenet ein Stockwerk über ihm in Langley. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass »etwas Großes« im Busch war. Nur wusste niemand, wo, wann und wie es passieren würde. Und weil es ihnen unsinnigerweise verboten war, zweifelhafte Subjekte danach zu fragen, würden sie es wahrscheinlich nicht herausfinden. Auch weil die Dienste es ablehnten, ihre Erkenntnisse auszutauschen.
    Paul Devereaux war von dem ganzen Haufen so enttäuscht, dass er sein Projekt Peregrine in Angriff genommen hatte, ohne jemanden in seine Pläne einzuweihen.
    Er hatte zigtausend Seiten über den Terrorismus im Allgemeinen und al-Qaida im Besonderen gelesen, und dabei war immer wieder eines deutlich geworden: Die islamistischen Terroristen würden sich mit den wenigen Amerikanern, die in Mogadischu, Daressalam und anderswo ums Leben gekommen waren, nicht zufrieden geben. UBL wollte Hunderttausende von Toten. Die Prophezeiung des längst verstorbenen Engländers wurde wahr.
    Um Zahlen dieser Größenordnung zu erreichen, benötigte die Führung von al-Qaida eine Technologie, die sie noch nicht besaß, aber verzweifelt in ihren Besitz zu bringen versuchte. Devereaux wusste, dass sie in den Höhlenkomplexen Afghanistans, die nicht einfach nur Felslöcher, sondern unterirdische Labyrinthe mit Laboratorien waren, mit Krankheitserregern und Giftgasen experimentiert hatte. Aber noch war sie weit von einem System zur flächendeckenden Verbreitung entfernt.
    Für al-Qaida, wie für alle Terrorgruppen dieser Welt, gab es eine Kostbarkeit von unschätzbarem Wert: spaltbares Material. Mindestens ein Dutzend Killergruppen würden alles dafür geben und jedes Risiko eingehen, um den Grundstoff für einen nuklearen Sprengsatz in ihren Besitz zu bringen.
    Es musste keineswegs ein hochmoderner »sauberer« Sprengkörper
sein. Im Gegenteil, je einfacher oder »schmutziger«, strahlungstechnisch gesprochen, desto besser. Selbst die Wissenschaftler in den Reihen der Terroristen wussten, dass eine ausreichende Menge von spaltbarem Material, umhüllt von einer ausreichenden Menge Plastiksprengstoff, genug tödliche Strahlung freisetzte, um eine Stadt von der Größe New Yorks für eine Generation unbewohnbar zu machen. Ganz zu schweigen von der halben Million Menschen, die infolge der Verstrahlung einen frühen Krebstod sterben würden.
    Der heimliche Krieg wurde nunmehr seit zehn Jahren mit viel Geld und viel Aufwand geführt. Bislang hatte der Westen, neuerdings auch mit der Unterstützung Moskaus, die Oberhand behalten und überlebt. Er hatte riesige Summen für den Aufkauf auch kleinster Mengen Uran-235 oder Plutonium ausgegeben, die in den privaten Handel zu gelangen drohten. Ganze Länder, ehemalige Sowjetrepubliken, hatten jedes Gramm, das Moskau zurückgelassen hatte, ausgehändigt, und die lokalen Diktatoren waren dank dem Nunn-Luger-Act dabei sehr wohlhabend geworden. Aber zu viel, viel zu viel Material war einfach verschwunden.
    Kurz nach der Gründung seiner eigenen kleinen Antiterroreinheit in Langley brachte Paul Devereaux zwei Dinge in Erfahrung. Erstens, dass im geheimen Vinca-Institut mitten in Belgrad fünfundvierzig Kilogramm reines waffenfähiges Uran-235 lagerten. Sofort nach Miloševićs Sturz verhandelten die USA über ihren Kauf. Ein Drittel davon, fünfzehn Kilogramm, genügte für den Bau einer Bombe.
    Zweitens wollte sich ein skrupelloser serbischer Gangster und enger Gefolgsmann Miloševićs ins Ausland absetzen, bevor das Regime stürzte. Er brauchte eine »Tarnung«, neue Papiere, Schutz und ein Versteck. Devereaux war klar, dass die USA ihn unmöglich aufnehmen konnten. Aber eine Bananenrepublik... Er schlug dem Serben einen Handel vor und nannte ihm seinen Preis. Der Preis war Zusammenarbeit.

    Bevor der Serbe Belgrad verließ, war im Vinca-Institut eine daumennagelgroße Probe Uran-235 gestohlen worden, und die Unterlagen waren dahin gehend frisiert worden, dass volle fünfzehn Kilogramm abhanden gekommen seien.
    Vor sechs Monaten nun hatte der flüchtige Serbe durch Vermittlung des Waffenhändlers Wladimir Bout seine Probe zusammen mit Unterlagen weitergegeben, die scheinbar bewiesen, dass sich auch die übrigen fünfzehn Kilogramm in seinem Besitz befanden.
    Die Probe war an den Chemiker und Physiker von al-Qaida, Abu Khabab, gegangen,

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