Der Raecher
Zimmer in der obersten Etage, mit Balkon nach Osten. Die Sonne stand hinter ihm, als er hinaustrat und über die Stadt blickte. In dieser Höhe wehte eine leichte Brise, die den Abend erträglich machte. Weit im Osten, über hundert Kilometer entfernt jenseits des Flusses, wartete der Dschungel von San Martin.
DRITTER TEIL
25
Der Dschungel
E s war der amerikanische Diplomat Ronald Proctor, der den Wagen kaufte. Und er kaufte ihn nicht etwa bei einem gewerbsmäßigen Händler, sondern bei einem Privatmann, der in der Lokalzeitung inseriert hatte.
Der gebrauchte Cherokee war in einem guten Zustand, und nach einer gründlichen Inspektion, die sein neuer, bei der Army ausgebildeter Besitzer vorzunehmen gedachte, würde er seinen Zweck erfüllen.
Der Handel, den er dem alten Besitzer vorschlug, war einfach und verlockend. Er sei bereit, zehntausend Dollar in bar zu bezahlen, brauche das Fahrzeug aber nur für einen Monat, bis sein eigener Wagen aus den Staaten eintreffe. Wenn er ihn in dreißig Tagen völlig intakt wiederbringe, solle der Verkäufer ihn zurücknehmen und die Hälfte der Summe zurückerstatten.
Dem Verkäufer winkten leicht verdiente fünftausend Dollar in einem Monat. Der Mann war ein sympathischer amerikanischer Diplomat, und da er den Cherokee in dreißig Tagen zurückzubringen gedachte, konnte man sich den üblichen Papierkram schenken. Wozu das Finanzamt auf den Plan rufen?
Proctor mietete zudem eine Einzelgarage und einen Schuppen hinter dem Blumen- und Gemüsemarkt. Anschließend fuhr er zum Hafen und holte seine Kiste ab. In der Garage packte er sie sorgsam aus und verteilte den Inhalt auf zwei Seesäcke aus Segeltuch.
In Washington verging Paul Devereaux fast vor Angst und Neugier, während die Tage sich hinschleppten. Wo war der Mann? War er mit seinem Visum nach Surinam eingereist? War er auf dem Weg?
Er hätte seine Neugier leicht befriedigen können, wenn er über die US-Botschaft in der Redmondstraat bei den surinamesischen Behörden nachgefragt hätte. Doch das hätte deren Neugier geweckt. Sie hätten sich nach dem Grund erkundigt. Sie hätten ihn sich selbst geschnappt und mit Fragen gelöchert. Der Mann namens Avenger hätte sich womöglich freigekauft und dort weitergemacht, wo er aufgehört hatte. Der Serbe, den allein schon bei dem Gedanken an die Reise nach Peshawar Paranoia überkam, wäre vollends in Panik geraten und hätte die Sache womöglich abgeblasen. Und so lief Devereaux auf und ab und wartete.
Unten in Paramaribo war das kleine Konsulat der Republik San Martin von Oberst Moreno vor einem Amerikaner gewarnt worden, der sich als Schmetterlingssammler ausgab und möglicherweise ein Visum beantragen würde. Man solle es unverzüglich ausstellen und ihn sofort darüber informieren.
Doch niemand mit dem Namen Medvers Watson erschien. Der Gesuchte saß mitten in Paramaribo in einem Straßencafé, neben sich einen Beutel mit den letzten Einkäufen. Man schrieb den 24. August.
Die Einkäufe stammten aus der Tackle Box in der Zwarten-Hovenbrug-Straße, dem einzigen Geschäft für Camping- und Jagdbedarf in der Stadt. Als Henry Nash, Geschäftsmann aus London, hatte er nur wenig von dem mitgebracht, was er jenseits der Grenze brauchte. Aber mit dem Inhalt der Diplomatenkiste und den Besorgungen vom Morgen glaubte er nun alles beisammenzuhaben. Und so trank er genüsslich sein Parbo-Bier, voraussichtlich das letzte für eine Weile.
Diejenigen, die warteten, wurden am Morgen des 25. belohnt.
Die Schlange vor der Überfahrtsstelle am Fluss war so lang, und die Moskitos waren so zahlreich wie immer. Die Wartenden setzten sich fast ausschließlich aus Einheimischen mit Fahrrädern, Motorrädern und verrosteten Pick-ups zusammen, alle mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen beladen.
In der Schlange auf der surinamesischen Seite stand nur ein einziger schicker Wagen, ein schwarzer Cherokee mit einem Weißen am Steuer. Er trug ein zerknittertes, cremefarbenes Leinenjackett, einen eierschalenfarbenen Panamahut und eine Brille mit dickem Rand. Wie die anderen saß er da, schlug Mücken tot und fuhr jedes Mal ein paar Meter vor, wenn die Kettenfähre eine neue Ladung an Bord nahm und sich wieder über den Commini hangelte.
Nach einer Stunde stand er endlich mit angezogener Handbremse auf dem flachen Eisendeck der Fähre, konnte aussteigen und auf den Fluss blicken. Drüben in San Martin angekommen, reihte er sich in die Schlange der sechs Wagen ein, die auf ihre Abfertigung
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