Der Raecher
Devereaux hieß. Die Entschuldigung war immer die gleiche: »Tut mir Leid, Sir, er ist im Urlaub. Aber nächste Woche kommt er zurück.« Und so ging der August zu Ende, und es wurde September.
Erst am dritten erhielt Devereaux die erste der beiden Antworten, auf die er wartete.
»Das ist wahrscheinlich die beste Fälschung, die uns je untergekommen ist«, sagte der Mann von der Passabteilung des State Department. »Er war zwar mal echt, von uns gedruckt. Doch dann hat ein Fachmann zwei wichtige Seiten herausgetrennt und zwei neue aus einem anderen Pass eingesetzt. Die Seiten mit dem Foto und dem Namen Medvers Watson. Nach unserer Kenntnis
gibt es keine Person dieses Namens. Ein Pass mit dieser Nummer wurde nie ausgestellt.«
»Könnte der Inhaber des Passes mit dem Flugzeug in die Staaten einreisen und wieder ausreisen?«, fragte Paul Devereaux. »Ist er so gut?«
»Ausreisen, ja«, antwortete der Experte. »Bei der Ausreise wird er nur vom Personal der Fluglinien kontrolliert. Die arbeiten ohne Datenbanken. Bei der Einreise könnte er Probleme bekommen, wenn der Einwanderungsbeamte nachprüft, ob die Passnummer in der Datenbank gespeichert ist. Der Computer würde Fehlanzeige melden.«
»Kann ich den Pass wiederhaben?«
»Bedaure, Mr. Devereaux. Wir sind euch Jungs jederzeit gern behilflich, aber dieses Meisterwerk kommt in unser schwarzes Museum. Wir werden Kurse abhalten, in denen wir diese Schönheit studieren.«
Und er hatte noch immer keine Antwort von der gerichtsmedizinischen Abteilung in Bethesda, der Klinik, zu der er einige nützliche Kontakte unterhielt.
Am 4. September rollte Henry Nash am Steuer eines bescheidenen Mietwagens, im Kofferraum eine Reisetasche mit leichter Sommerkleidung und Kulturbeutel, in der Hand einen britischen Reisepass mit dem Visumstempel der Republik San Martin, auf die Fähre am Commini-Fluss.
Sein britischer Akzent hätte einen Engländer aus Oxford oder Cambridge kaum täuschen können, aber unter den Niederländisch sprechenden Surinamesen und den, wie er vermutete, Spanisch sprechenden San-Martinos rechnete er nicht mit Schwierigkeiten. Und er sollte Recht behalten.
Avenger blickte ein letztes Mal in die braunen Fluten unter seinen Füßen und hoffte inständig, den verdammten Fluss nie wiederzusehen.
Die gestreift lackierte Schranke auf der anderen Seite war verschwunden, und mit ihr die Schwarzaugen und Soldaten. Der
Grenzposten war wieder in seinen gewohnten Dämmerschlaf gesunken. Er stieg aus, reichte seinen Pass durchs Fenster des Schuppens, zeigte ein albernes Lächeln und fächelte sich Luft zu, während er wartete.
Da er praktisch bei jedem Wetter in einem ärmellosen Unterhemd herumlief, hatte er meist eine leichte Sonnenbräune, aber nach zwei Wochen in den Tropen war er mahagonibraun. Ein Friseur in Paramaribo hatte sich seiner blonden Haare angenommen, und jetzt waren sie so dunkel, fast schwarz, dass sie zu der Beschreibung von Mr. Nash aus London passten.
In den Kofferraum seines Wagens und in seine Tasche wurden nur flüchtige Blick geworfen, sein Pass wanderte zurück in die Brusttasche seines Hemdes, und er fuhr weiter in Richtung Hauptstadt.
Bei der dritten Abzweigung nach rechts vergewisserte er sich, dass ihn niemand beobachtete, und bog dann wieder in den Dschungelpfad ein. Auf halber Strecke zu dem Gehöft hielt er an und wendete. Der riesige Baum war leicht wiederzufinden, und die feste schwarze Schnur klemmte noch tief in der Kerbe, die er eine Woche zuvor in den Stamm geschnitten hatte.
Als er die Schnur löste, senkte sich der getarnte Bergen-Rucksack aus dem Geäst, wo er unbemerkt gehangen hatte. Er enthielt alles, was er in den nächsten Tagen brauchen würde, wenn er auf dem Kamm der Bergkette über der Hazienda des geflohenen Serben kauerte und schließlich in die Festung selbst hinabstieg.
Der Zöllner an der Grenze hatte dem zehn Liter fassenden Plastikkanister im Kofferraum keine Beachtung geschenkt. Er hatte nur genickt, als der Engländer »Agua« sagte, und den Deckel wieder zugeschlagen. Wasser und Rucksack waren zusammen so schwer, dass selbst ein Triathlet beim Bergsteigen an seine Grenzen stieß, aber zwei Liter am Tag waren lebensnotwendig.
Der Kopfgeldjäger fuhr gemächlich durch die Hauptstadt,
vorbei an dem Ölpalmenhain, in dem Oberst Moreno an seinem Schreibtisch saß, und weiter nach Osten. Am frühen Nachmittag gelangte er in den Ferienort La Bahia. Es war Siestazeit, und nichts rührte sich.
Die
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