Der Raecher
Kroatien oder Serbien waren für ihn Feindesland, und ein zum Verkauf angebotener neuer Landcruiser würde auffallen.
Drittens, sie waren an eine oder mehrere unbekannte Personen geraten und aus demselben Grund umgebracht worden. Zu den Mordbanden, die hier die Gegend unsicher machten, zählten auch einige Mudschaheddin-Gruppen, muslimische Fanatiker aus dem Nahen und Mittleren Osten, die nach Bosnien gekommen waren, um ihren verfolgten Glaubensbrüdern »beizustehen«. Es war bekannt, dass sie bereits zwei europäische Söldner ermordet hatten, obwohl die eigentlich auf derselben Seite standen, ferner den Mitarbeiter einer Hilfsorganisation und einen muslimischen Tankstellenbesitzer, der sich geweigert hatte, Benzin zu spenden.
Doch am wahrscheinlichsten erschien ihm John Slacks Theorie. Zusammen mit Ibrahim suchte der Spürhund in den folgenden
Tagen kilometerweit jede Straße ab, die von Travnik ins Hinterland führte. Während der Bosnier im Schritttempo hinter ihm her fuhr, durchkämmte der Spürhund die Straßenränder über jedem infrage kommenden Steilhang.
Was er anpackte, machte er gründlich. Langsam, geduldig und keine Stelle auslassend, suchte er nach Reifenspuren, zerbröckelten Rändern, Schleuderspuren, umgeknickten Pflanzen, platt gefahrenem Gras. Dreimal ließ er sich an einem Seil, das sie an dem Lada befestigten, in eine Schlucht hinab, in der möglicherweise ein Landcruiserwrack im Dickicht lag. Nichts.
Er setzte sich an den Straßenrand und suchte mit einem Feldstecher die Täler unter sich nach einem Glitzern von Metall oder Glas ab. Nichts. Nach zehn anstrengenden Tagen kam er zu dem Schluss, dass Slack Unrecht hatte. Wenn ein Geländewagen dieser Größe von der Straße abkam und in die Tiefe stürzte, hinterließ er Spuren, die, so unauffällig sie auch sein mochten, auch nach vierzig Tagen noch zu erkennen waren. Und er hätte diese Spuren mit Sicherheit gefunden. Doch in keinem der Täler um Travnik lag ein verunglücktes Auto.
Er setzte eine hohe Belohnung auf sachdienliche Hinweise aus. Die Neuigkeit machte unter den Flüchtlingen die Runde, und ein paar Optimisten meldeten sich. Doch alles, was er erfuhr, war, dass der Wagen am fraglichen Tag durch die Stadt gefahren war. Wohin, wusste niemand. Und auch nicht, in welche Richtung.
Nach zwei Wochen brach er die Aktion ab und fuhr nach Vitez, wo das Hauptquartier des kurz zuvor eingetroffenen Kontingents der britischen Armee lag.
Er bezog Quartier in einer Schule, die in eine Art Pension für Journalisten, hauptsächlich britische, umfunktioniert worden war. Sie lag in einer Straße, die im Volksmund TV-Allee hieß, neben dem Militärgelände, bot aber genügend Sicherheit, falls es brenzlig wurde.
Da er wusste, was Soldaten im Allgemeinen von der Presse
hielten, verzichtete er darauf, sich als »freischaffenden Journalist« auszugeben, und bat den kommandierenden Oberst in seiner Eigenschaft als ehemaliger Angehöriger der Spezialkräfte um eine Unterredung.
Der Oberst hatte einen Bruder bei den Fallschirmjägern. Gleicher Werdegang, gleiche Interessen. Kein Problem. Was könne er für ihn tun?
Ja, er habe von dem vermissten jungen Amerikaner gehört. Böse Sache. Seine Patrouillen hätten sich umgesehen, aber nichts gefunden. Er horchte auf, als der Spürhund eine noble Spende für den Unterstützungsfonds der Armee in Aussicht stellte. Eine Suchaktion wurde organisiert, die Artillerie stellte ein leichtes Flugzeug bereit. Der Spürhund begleitete den Piloten. Über eine Stunde lang flogen sie über Berge und Schluchten. Nicht die geringste Spur.
»Ich glaube, Sie müssen bei Ihren Nachforschungen von einem Verbrechen ausgehen«, meinte der Oberst beim Abendessen.
»Mudschaheddin?«
»Möglich. Das sind brutale Spinner, verstehen Sie? Die bringen jeden um, der ihnen über den Weg läuft, nur weil er kein Muslim oder nicht fundamentalistisch genug ist. Am 15. Mai, sagten Sie? Da waren wir erst zwei Wochen hier. Haben noch die Lage sondiert. Aber laut Akten war hier in der Gegend nichts los. Sie könnten es mal mit den ECMM-Lageberichten versuchen. Nicht sehr ergiebig, aber ein Stapel liegt in meinem Büro. Der 15. Mai müsste dabei sein.«
Die European Community Monitoring Mission war der Versuch der Europäischen Union, sich in ein Unternehmen einzumischen, auf das sie keinerlei Einfluss hatte. Bosnien war UN-Angelegenheit, bis die verärgerten USA die Sache in die Hand nahmen und das Problem lösten. Doch Brüssel wollte
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