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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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seinen miserablen Schulzeugnissen auch neuere Leistungsnachweise aus dem Studium der politischen Geschichte und Beurteilungen seiner derzeitigen Dozenten, die exzellent waren. Irgendwo in dem Stapel steckte auch sein alter DD214.
    Er kam in die engere Wahl. Der sechsköpfige Ausschuss trat zu einer letzten Sitzung zusammen. Den Vorsitz führte der siebenundsiebzigjährige emeritierte Professor Howard Kell, ein heller Kopf und unbestrittene Autorität im Gremium.
    Irgendwann ging es um die Frage, welchem von zwei Bewerbern der letzte verfügbare Studienplatz zugeteilt werden sollte. Dexter war einer der beiden. Nach einer hitzigen Diskussion erhob sich Professor Kell von seinem Stuhl am Kopfende des Tisches und trat ans Fenster. Er starrte in den blauen Sommerhimmel.
    »Schwierige Sache, was, Howard? Wer ist Ihr Favorit?«
    Der alte Mann tippte auf ein Blatt Papier in seiner Hand und
hielt es dem älteren Dozenten hin. Der las die Liste der Auszeichnungen und pfiff leise.
    »Er war noch keine einundzwanzig, als er die bekommen hat.«
    »Was zum Teufel hat er getan?«
    »Sich das Recht erworben, dass man ihm an dieser Fakultät eine Chance gibt, das hat er getan«, antwortete der Professor.
    Die beiden Männer kehrten an den Tisch zurück und stimmten ab. Das Votum wäre drei zu drei ausgefallen, doch in einem solchen Fall zählte die Stimme des Vorsitzenden doppelt. Er legte seine Gründe dar. Die anderen lasen den DD214.
    »Er könnte gewalttätig sein«, gab der politisch korrekte Dekan zu bedenken.
    »Das will ich doch hoffen«, erwiderte Professor Kell.
    »Der Gedanke wäre mir unerträglich, dass wir so etwas heutzutage für nichts vergeben.«
    Cal Dexter erhielt den Bescheid zwei Tage später. Er und Angela lagen im Bett. Er streichelte ihren gerundeten Bauch und träumte laut davon, eines Tages ein wohlhabender Anwalt zu werden und in Westchester oder White Plains ein schönes Haus zu besitzen.
    Ihre Tochter Amanda Jane wurde im Frühjahr 1975 geboren, doch es gab Komplikationen. Die Ärzte taten ihr Bestes, kamen aber zu einem einhelligen Urteil. Dem Paar stehe es selbstverständlich frei, noch ein Kind zu adoptieren, aber weitere Schwangerschaften seien ausgeschlossen. Der Priester der Marozzis tröstete Angela. Es sei Gottes Wille, sie müsse sich damit abfinden.
    Cal Dexter legte in diesem Sommer als einer der fünf Besten seines Jahrgangs die Abschlussprüfung ab und trat im Herbst sein dreijähriges Jurastudium an. Es war hart, aber die Marozzis unterstützten die junge Familie. Mama passte auf Amanda Jane auf, damit Angela als Kellnerin arbeiten konnte. Cal wollte unbedingt Vollzeitstudent bleiben und nicht auf Abendkurse
ausweichen, wodurch sich das Jurastudium um zwölf Monate verlängert hätte.
    Die ersten beiden Jahre arbeitete er den ganzen Sommer über schwer, doch im dritten ergatterte er eine Stelle als Anwaltsgehilfe in der hoch angesehenen Kanzlei Honeyman Fleischers in Manhattan.
    Fordham hatte seit jeher ein aktives Netzwerk von Ehemaligen, und drei Hauptteilhaber von Honeyman Fleischers hatten an dieser Universität studiert. Ein Dozent vermittelte Dexter den Ferienjob in der Kanzlei.
    In diesem Sommer, 1978, starb sein Vater. Seit seiner Rückkehr aus Vietnam hatte er kaum noch Kontakt zu ihm gehabt, denn der konnte nicht verstehen, warum er nicht auf den Bau zurückkehren und für den Rest seines Lebens Bauarbeiter bleiben wollte.
    Einmal freilich hatte er sich den Wagen seines Schwiegervaters ausgeliehen, um Dexter senior Frau und Kind vorzustellen. Das Ende kam dann ganz plötzlich. Ein schwerer Herzanfall streckte ihn auf der Baustelle nieder. Der Sohn ging allein auf die bescheidene Beerdigung. Er hatte gehofft, der Vater würde noch seine Abschlussfeier erleben und stolz auf ihn sein. Doch es kam anders.
    Noch im selben Sommer legte er das Examen ab. Bis zu seiner Prüfung und Zulassung als Anwalt arbeitete er ganztags, wenn auch für wenig Geld, bei Honeyman Fleischers. Es war seine erste feste Anstellung seit seinem Abschied von der Armee sieben Jahre zuvor.
    Honeyman Fleischers legte großen Wert auf seinen makellosen Ruf als Liberaler, mied Republikaner und unterhielt, als sichtbaren Ausdruck seines sozialen Gewissens, eine Abteilung, die Armen und Bedürftigen unentgeltlich Rechtsbeistand leistete.
    Gleichwohl sahen die Seniorpartner keinen Grund, des Guten zu viel zu tun, und besetzten die Abteilung mit schlecht bezahlten
Neulingen. Im Herbst 1978 rangierte Cal Dexter in der

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