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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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erste Hürde. Der Sachbearbeiter hatte den Asylantrag mit der befremdlichen Begründung abgelehnt, die Moungs hätten sich an die Botschaft oder das Konsulat der Vereinigten Staaten vor Ort wenden und, gemäß der amerikanischen Tradition, warten müssen, bis sie an der Reihe waren.
    Hier sah Dexter kein allzu großes Problem, denn die US-Beamten waren bereits Jahre vor dem Ansturm der Roten Khmer aus der kambodschanischen Hauptstadt geflüchtet.
    Durch die Ablehnung in erster Instanz waren die Moungs in die Abschiebungsmühle geraten. Dies hatte Refugee Watch auf den Plan gerufen.
    Nach der Verfahrensordnung konnte ein Paar, dem die Dienststelle des Distriktleiters nach der ersten Anhörung die Einreise verweigert hatte, Einspruch bei einem Verwaltungsgericht erheben, wo ein Asylrichter über den Fall entschied.
    Wie Dexter feststellte, hatte die Einwanderungsbehörde für ihre Ablehnung noch einen zweiten Grund angeführt: Die Moungs seien den Nachweis schuldig geblieben, vor einer Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Nationalität, Religion, politischen Meinung und/oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe geflohen zu sein. Doch er meinte glaubhaft machen zu können, dass Moung als glühender Antikommunist - und er gedachte ihm ans Herz zu legen, unverzüglich einer zu werden - und als Schulleiter zumindest die beiden letzten der fünf Kriterien erfüllte.
    Seine Aufgabe bei der Verhandlung am nächsten Tag würde darin bestehen, beim Richter eine Aussetzung der Abschiebung nach Artikel 243 (h) des Gesetzes über Einwanderung und Staatsbürgerschaft zu beantragen.
    Ganz unten auf einer Seite hatte ein Mitglied von Refugee
Watch in winziger Druckschrift vermerkt, dass der zuständige Asylrichter ein gewisser Norman Ross sei.
    Dexter fand sich über eine Stunde vor Verhandlungsbeginn im Gebäude der Einwanderungsbehörde an der Federal Plaza Nr. 26 ein, um mit seinen Mandanten zu sprechen. Er selbst war schon kein groß gewachsener Mann, aber die Moungs waren von noch kleinerer Statur, und Mrs. Moung wirkte wie eine zierliche Puppe. Die Brillengläser, durch die sie in die Welt blickte, sahen so dick aus, als wären sie aus dem Boden von Schnapsgläsern geschliffen worden. Laut Akte waren die beiden vierundvierzig respektive fünfundvierzig Jahre alt.
    Mr. Moung wirkte ruhig und gefasst. Da Cal Dexter kein Französisch sprach, hatte Refugee Watch eine Dolmetscherin geschickt.
    Dexter nutzte die Stunde, um die ursprüngliche Erklärung durchzugehen, doch es gab nichts hinzuzufügen oder wegzulassen.
    Die Verhandlung fand nicht in einem herkömmlichen Gerichtssaal statt, sondern in einem geräumigen Büro, das man zusätzlich bestuhlt hatte. Fünf Minuten vor Sitzungsbeginn wurden sie hineingeführt.
    Wie erwartet, trug der Vertreter des Distriktleiters die gleichen Argumente vor, mit denen der Asylantrag nach der ersten Anhörung abgelehnt worden war. Richter Ross lauschte hinter seinem Tisch den Argumenten, die er bereits aus der vor ihm liegenden Akte kannte, hob eine Augenbraue und musterte den Neuling, den Honeyman Fleischers geschickt hatte.
    Cal Dexter hörte, wie hinter ihm Moung seiner Frau zuraunte: »Wir können nur hoffen, dass der junge Mann Erfolg hat, sonst schicken sie uns zurück in den Tod.« Aber er hatte sich seiner Muttersprache bedient.
    Dexter zerpflückte das erste Argument der Gegenseite: Seit Beginn der Massenmorde hätten die Vereinigten Staaten in Phnom Penh keine diplomatische oder konsularische Vertretung
mehr unterhalten. Die nächste habe sich im thailändischen Bangkok befunden und sei für die Moungs unerreichbar gewesen. Er bemerkte, wie sich der Mund des Richters zu einem leichten Grinsen verzog, als der Vertreter der Einwanderungsbehörde rot anlief.
    Vor allem aber musste er nachweisen, dass in Anbetracht des mörderischen Fanatismus der Roten Khmer jedem bekannten Antikommunisten wie seinem Mandanten Verhaftung, Folter und Hinrichtung drohten und dieser allein schon aufgrund seiner Position als Rektor eines Gymnasiums ein sicherer Todeskandidat war.
    In der Nacht hatte er gelesen, dass Norman Ross nicht immer Ross geheißen hatte. Sein Vater war um die Jahrhundertwende unter dem Namen Samuel Rosen aus einem Schtetl im heutigen Polen eingewandert, weil er vor den Pogromen des Zaren und seiner damaligen Schergen, der Kosaken, flüchten musste.
    »Sir, es ist sehr bequem, Menschen abzuweisen, die mittellos zu uns kommen und nichts weiter wollen als eine Lebenschance. Es ist sehr

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