Der Raecher
den Dschungel führten. Der Skipper nickte, änderte den Kurs und querte die Bucht von Charco Azul in einer
schnurgeraden Linie. Vierzig Kilometer, eine Fahrt von gut zwei Stunden.
Gegen ein Uhr erreichten sie ihr Ziel. Die wenigen Fischerboote, denen sie in der weiten Bucht begegnet waren, hatten ihnen keine Beachtung geschenkt.
Auf Wunsch des Amerikaners fuhren sie in einem Abstand von hundert Metern an der Küste entlang. Kurz darauf entdeckten sie östlich von Chiriqui Viejo einen Sandstrand mit zwei Strohhütten. Einheimische Fischer benutzten solche Hütten zum Übernachten, folglich musste es dort einen Pfad geben, der ins Landesinnere führte, mit dem Auto nicht befahrbar, nicht einmal mit einem Offroader, wohl aber mit einem geländegängigen Motorrad.
Ächzend wuchteten sie die Maschine ins seichte Wasser. Und als auch der Rucksack auf dem Strand lag, trennten sie sich. Eine Hälfte in Golfito, die andere bei der Ankunft in Panama. Der Gringo bezahlte den Rest.
Ein merkwürdiger Kerl, dachte Arias, aber wenn man vier hungrige Mäuler zu stopfen hatte, waren seine Dollars so gut wie die von jedem anderen. Er setzte die Chiquita zurück und tuckerte auf die See hinaus. Eine Meile vor der Küste kippte er den Inhalt der beiden Kanister in den Tank und fuhr mit voller Kraft voraus Richtung Landzunge, dem Heimathafen entgegen.
Am Strand nahm Cal Dexter einen Schraubenzieher, montierte das costa-ricanische Nummernschild ab und schleuderte es weit hinaus ins Wasser. Dann zog er ein Nummerschild, wie es hierzulande für Motorräder üblich war, aus dem Rucksack und schraubte es an.
Seine Papiere waren perfekt. Dank Mrs. Nguyen besaß er einen amerikanischen Pass, der nicht auf den Namen Dexter lautete und scheinbar vor wenigen Tagen auf dem Flughafen Panama City mit einem Einreisestempel versehen worden war, und einen entsprechenden Führerschein.
Mit seinem holprigen Spanisch, das er sich in den New Yorker
Gerichten und Untersuchungsgefängnissen angeeignet hatte, wo zwanzig Prozent seiner Mandanten Latinos waren, konnte er sich nicht als Panamaer ausgeben. Aber als amerikanischer Tourist durfte er ohne weiteres ins Hinterland fahren, um sich einen Ort zum Sportfischen auszusuchen.
Im Dezember 1989, also vor etwas mehr als zwei Jahren, hatten die USA Teile von Panama in Schutt und Asche gelegt und den Diktator Noriega gefangen genommen. Dexter ging davon aus, dass die Mehrheit der hiesigen Polizisten die Botschaft verstanden und im Gedächtnis behalten hatte.
Der schmale Trampelpfad, der vom Strand in den dichten Regenwald führte, verbreiterte sich zehn Meilen landeinwärts zu einem Weg und schließlich zu einer unbefestigten, von vereinzelten Höfen gesäumten Straße. Er wusste, dass er früher oder später auf den Panamerican Highway gelangen musste, der, eine technische Großtat, Alaska mit der Südspitze Patagoniens verbindet.
In David City tankte er, kehrte auf den Panamerican Highway zurück und machte sich auf die fünfhundert Kilometer lange Fahrt in die Hauptstadt. Es wurde dunkel. Er aß in einem Fernfahrerlokal, tankte abermals und fuhr weiter. Schließlich überquerte er die Mautbrücke nach Panama-Stadt, bezahlte in Pesos und erreichte bei Sonnenaufgang den Vorort Balboa. Dort suchte er sich eine Parkbank, kettete die Maschine an und schlief drei Stunden.
Den Nachmittag nutzte er für eine ausgiebige Erkundung. Mithilfe des Stadtplans, den er sich in New York besorgt hatte, verschaffte er sich einen Überblick über die Stadt und den berüchtigten Slum Chorillo, in dem Noriega und Madero, nur wenige Straßenzüge voneinander entfernt, aufgewachsen waren.
Aber erfolgreiches Pack bevorzugte das vornehme Leben, und nach seinen Informationen lagen Maderos Stammlokale, deren Mitinhaber er war, beide im exklusiven Paitilla, abseits der Altstadtslums auf der anderen Seite der Bucht.
Es war zwei Uhr morgens, als der Heimkehrer von der Bar-Diskothek Papagayo genug hatte und nach Hause wollte. Die unauffällige schwarze Tür mit dem diskreten Messingschild, Gitter und Guckloch schwang auf, und zwei Männer traten heraus, kräftig gebaute Leibwächter, die Gorillas des Gangsters.
Der eine stieg vom Gehweg aus in die Lincoln-Limousine und ließ den Motor an. Der andere suchte mit den Augen die Straße ab. Der Penner, der neben ihm auf der Bordsteinkante hockte, die Füße im Rinnstein, drehte sich um und entblößte grinsend seine faulig braunen Zahnstumpen. Fettige graue Locken fielen ihm auf
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