Der Raecher
die Schultern, ein stinkender Regenmantel umhüllte seinen Körper.
Langsam steckte er die rechte Hand in eine braune Papiertüte, die er vor der Brust hielt. Der Gorilla schob die Hand in seine linke Achselbeuge und straffte sich. Der Penner zog langsam die Hand aus der Tüte. Sie unklammerte eine Flasche mit billigem Rum. Er nahm einen kräftigen Schluck und hielt sie in der Spendierlaune des Volltrunkenen dem anderen hin.
Der Gorilla räusperte sich und spuckte auf die Fahrbahn, zog die leere Hand unter dem Jackett hervor, entspannte sich und sah weg. Bis auf den Säufer war die Straße leer, die Luft rein. Er klopfte an die schwarze Tür.
Emilio, der Mann, der Dexters Tochter den Kopf verdreht hatte, trat als Erster heraus, gefolgt von seinem Boss. Dexter wartete, bis die Tür zugefallen und das Schloss eingeschnappt war, dann stand er auf.
Als er die Hand das zweite Mal aus der Papiertüte zog, hielt sie einen Revolver der Marke Magnum Smith and Wesson, Kaliber.44, mit verkürztem Lauf.
Der Gorilla, der gespuckt hatte, erfuhr nie, was ihn traf. Das Geschoss zerfiel nach Verlassen des Laufs in vier Projektile, die aus drei Metern Entfernung in seinen Oberkörper drangen und eine Verwüstung anrichteten.
Der überaus attraktive Emilio öffnete den Mund zum Schrei,
als ihn der zweite Schuss gleichzeitig in Gesicht und Hals, eine Schulter und eine Lunge traf.
Der zweite Gorilla hatte sich halb aus dem Wagen gedreht, als er nach einer unerwarteten Begegnung mit vier wirbelnden, rotierenden Metallsplittern, die sich in die dem Schützen dargebotene Seite seines Körpers bohrten, vor seinen Schöpfer trat.
Benyamin Madero war zur schwarzen Tür zurückgeeilt und schrie um Einlass, als die Schüsse vier und fünf fielen. Ein tollkühner Zeitgenosse hatte die Tür von innen einen Spalt geöffnet. Ein Splitter flog in sein onduliertes Haar, und die Tür schnappte wieder zu.
Madero glitt an dem Hochglanzpaneel zu Boden, und sein durchtränktes Hemd hinterließ lange rote Schmierstreifen auf dem Holz.
Ohne Anzeichen von Panik oder besondere Eile trat der Penner zu ihm, drehte ihn auf den Rücken und sah ihm ins Gesicht. Er lebte noch, lag aber in den letzten Zügen.
»Amanda Jane, mi hija«, sagte der Bewaffnete und gab einen sechsten Schuss ab, der ihm die Eingeweide zerfetzte.
Die letzten neunzig Sekunden in Maderos Leben waren alles andere als ein Vergnügen.
Eine Frau, die im Haus gegenüber wohnte, sagte später der Polizei, sie habe von ihrem Fenster aus gesehen, wie der Penner um die Ecke gerannt sei, und gleich darauf habe sie das Geknatter eines Motorrollers gehört. Das war alles.
Noch bevor es hell wurde, lehnte die Motocross-Maschine zwei Stadtbezirke weiter an einer Mauer. Sie war nicht angekettet, und der Zündschlüssel steckte. Es würde nicht länger als eine Stunde dauern, bis sie einen neuen Besitzer fände.
Die Perücke, die falschen Zähne und der Regenmantel steckten, zu einem Bündel verschnürt, in der Abfalltonne eines öffentlichen Parks. Der Rucksack lag, von den restlichen Kleidern befreit, zusammengelegt im Müllcontainer einer Baufirma.
Um sieben winkte ein amerikanischer Manager in Slippern,
Baumwollhosen, Polohemd und leichtem Sportjackett, in der Hand eine weiche Reisetasche von Abercrombie and Fitch, vor dem Hotel Miramar einem Taxi und gab den Flughafen als Fahrziel an. Drei Stunden später saß derselbe Amerikaner in der Klubklasse einer Linienmaschine von Continental Airlines, die in Richtung Newark, New Jersey, startete.
Und der Revolver, der für den Nahkampf umgebaute Smith and Wesson, dessen Geschosse in vier tödliche Projektile zerfielen, lag in einem Gully irgendwo in der Stadt, die jetzt unter der Tragfläche verschwand.
Im Tunnelsystem von Cu Chi mochte sein Einsatz verboten gewesen sein, doch zwanzig Jahre später hatte er in den Straßen von Panama gute Dienste geleistet.
Dexter spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, als er den Schlüssel in seine Wohnungstür in der Bronx steckte. Er öffnete und blickte in das Gesicht seiner Schwiegermutter, Mrs. Marozzi, das tränenüberströmt war.
Zu dem Schmerz waren die Schuldgefühle hinzugekommen. Angela Dexter hatte Emilio als Verehrer ihrer Tochter akzeptiert und ihre Erlaubnis zu den »Ferien« am Meer gegeben. Als ihr Mann erklärt hatte, dass er für eine Woche verreisen müsse, um eine unerledigte Sache zu regeln, hatte sie angenommen, er spreche von einer Rechtssache.
Er hätte nicht fliegen dürfen.
Weitere Kostenlose Bücher