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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Er hätte mit ihr sprechen sollen. Er hätte gemerkt, was sie plante. Angela Dexter hatte das Haus ihrer Eltern, in dem sie seit dem Begräbnis ihrer Tochter wohnte, verlassen, war mit einem großen Vorrat Schlaftabletten in ihre Wohnung zurückgekehrt und hatte sich das Leben genommen.
    Der ehemalige Bauarbeiter, Soldat, Student und Vater fiel in eine tiefe Depression. Schließlich gelangte er zu zwei Erkenntnissen. Die erste war, dass er als Armenanwalt, der zwischen Gericht und Untersuchungsgefängnis hin- und herhetzte, keine Zukunft mehr hatte. Er reichte seine Kündigung ein, verkaufte
seine Wohnung, nahm Abschied von der Familie Marozzi, die immer gut zu ihm gewesen war, und kehrte nach New Jersey zurück.
    Er fand Pennington, eine beschauliche Kleinstadt im Grünen, aber ohne eigenen Anwalt. Er mietete ein kleines Ein-Mann-Büro und hängte sein Firmenschild auf. Dann kaufte er sich ein Holzhaus am Chesapeake Drive und tauschte sein Stadtauto gegen einen Pick-up. Und er begann, für die mörderische Disziplin Triathlon zu trainieren, um den Schmerz zu betäuben.
    Seine zweite Erkenntnis war, dass Madero einen zu leichten Tod gehabt hatte. Er hätte vor ein US-Gericht gehört, um zu lebenslanger Haft verurteilt zu werden. Das wäre eine gerechte Strafe gewesen. Jeden Morgen aufwachen, nie den Himmel sehen und wissen, dass er bis zum Ende seiner Tage dafür büßen musste, was er einem unschuldigen Mädchen angetan hatte.
    Calvin Dexter wusste, dass er bei der US-Army und während der zwei Jahre in der stinkenden Hölle unter dem Dschungelboden von Cu Chi Fertigkeiten erworben hatte, die ihn zu einer Gefahr für andere machten. Er arbeitete lautlos, geduldig, nahezu unsichtbar wie ein Jäger, beharrlich wie ein Spürhund.
    Aus der Zeitung erfuhr er von einem Mann, der seine Tochter durch einen Mörder verloren hatte, der außer Landes geflohen war. Er nahm heimlich Kontakt auf, ließ sich nähere Informationen geben, reiste über die Grenzen seines Vaterlands und brachte den Mörder zurück. Dann tauchte er unter und wurde wieder der freundliche, harmlose Anwalt aus Pennington in New Jersey.
    Dreimal in sieben Jahren hängte er das Schild »Bin im Urlaub« an seine Bürotür in Pennington und machte sich auf den Weg, um einen Mörder aufzuspüren und zurückzuholen, damit er vor ein »ordentliches Gericht« gestellt werden konnte. Dreimal verständigte er die Bundesmarshals und schlüpfte anschließend wieder zurück in die Anonymität.
    Doch immer wenn die Zeitschrift Vintage Airplane auf seiner
Fußmatte landete, sah er die Kleinanzeigen durch, denn nur auf diesem Weg konnten die sehr wenigen, die von seiner Existenz wussten, Kontakt zu ihm aufnehmen.
    So auch an jenem sonnigen Morgen des 13. Mai 2001. Die Anzeige lautete: »AVENGER gesucht. Seriöses Angebot. Keine Preisgrenze. Bitte um Anruf.«

16
    Die Akte
    S enator Peter Lucas war ein alter Hase auf dem Kapitolshügel. Er wusste, dass er sich mit der Akte über Ricky Colenso und dem Geständnis Milan Rajaks gleich an die höchsten Stellen wenden musste, wenn er die Gewähr haben wollte, dass in der Sache offizielle Schritte eingeleitet wurden.
    Ressort- oder Abteilungsleiter einzuschalten hatte keinen Sinn. Die ganze Mentalität der Beamten auf dieser Ebene war darauf angelegt, den schwarzen Peter einer anderen Abteilung zuzuschieben. Zuständig waren immer andere.
    Als republikanischer Senator und langjähriger Freund von George Bush senior konnte Peter Lucas einen Termin bei Außenminister Colin Powell und dem neuen Justizminister John Ashcroft bekommen, den Chefs der beiden Behörden, die noch am ehesten etwas tun konnten.
    Doch ganz so einfach war es nicht. Minister hatten es nicht gern, wenn man mit Problemen und Fragen zu ihnen kam, sie zogen es vor, wenn man die Lösungen gleich mitbrachte.
    Auslieferungsfragen waren nicht sein Spezialgebiet. Er musste herausfinden, was die USA in solchen Fällen tun konnten und sollten. Das erforderte Recherchen, und genau zu diesem Zweck beschäftigte er ein Team junger Akademiker, die er auf die Sache ansetzte. Eine Woche später kam seine beste Spürnase, eine gescheite junge Frau aus Wisconsin, zu ihm.
    »Nach dem allgemeinen Gesetz zur Verbrechensbekämpfung von 1984«, sagte sie, »kann dieses Schwein von Zilić festgenommen und überstellt werden.«

    Der Passus, den sie entdeckt hatte, stammte aus einer Kongressanhörung zum Thema Geheimdienste und Sicherheit von 1997, genauer gesagt aus einem Referat,

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