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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hast?«
    »Tausend Dollar«, antwortete Ricky. »Nur für Notfälle.«
    »Scheiße. Wedel bloß nicht damit herum, sonst gibt’s Ärger. Damit kann man sich hier zur Ruhe setzen.«
    Ricky versprach, vorsichtig zu sein. Ein Postamt, so stellte er bald fest, gab es nicht, da es ja keinen bosnischen Staat und somit auch keine bosnische Post gab und die des alten Jugoslawien zusammengebrochen war. Von John Slack erfuhr er, dass jeder Mitarbeiter, der nach Kroatien oder Österreich fuhr, für die anderen Briefe und Postkarten beförderte. Ricky beschrieb rasch eine Karte aus dem Stapel, den er am Wiener Flughafen gekauft und in seinen Rucksack gesteckt hatte. Der Schwede nahm sie mit nach Norden, und Mrs. Colenso erhielt sie eine Woche später.
    Travnik war einst eine blühende, von Serben, Kroaten und bosnischen Muslimen bewohnte Marktstadt gewesen, wie noch an den Gotteshäusern zu erkennen war. Es gab eine katholische Kirche für die mittlerweile geflüchteten Kroaten, eine orthodoxe für die gleichfalls geflüchteten Serben und ein Dutzend Moscheen
für die muslimische Mehrheit, die so genannten Bosniaken.
    Mit Beginn des Bürgerkriegs brach die Gemeinschaft der drei ethnischen Gruppen, die lange friedlich zusammengelebt hatten, auseinander. Die Berichte über die Pogrome im ganzen Land zerstörten das gegenseitige Vertrauen.
    Die Serben flohen nach Norden über den Berg Vlasić, der Travnik überragt, und zogen sich nach Banja Luka jenseits des Lasvatals zurück.
    Von den ebenfalls vertriebenen Kroaten suchten die meisten im fünfzehn Kilometer entfernten Vitez Zuflucht. So entstanden drei ethnische Hochburgen, und in jede strömten Flüchtlinge der jeweiligen Bevölkerungsgruppe.
    Die internationalen Medien lasteten alle Pogrome den Serben an, obwohl durchaus auch Serben abgeschlachtet wurden, wenn sie isoliert und in der Minderheit waren. Der Grund dafür war, dass die Serben in der Armee des alten Jugoslawien die beherrschende Rolle gespielt hatten. Als der Staat auseinander brach, sicherten sie sich neunzig Prozent der schweren Waffen, was ihnen eine erdrückende Überlegenheit verlieh.
    Die Kroaten, die auch nicht zimperlich waren, wenn es galt, in ihrer Mitte lebende nichtkroatische Minderheiten zu massakrieren, hatten durch den deutschen Bundeskanzler Kohl zu einem unverantwortlich frühen Zeitpunkt ihre staatliche Anerkennung erhalten und konnten sich danach auf dem Weltmarkt Waffen besorgen.
    Die Bosniaken hingegen waren weitgehend unbewaffnet und blieben es auf Anraten der europäischen Politiker auch. Demzufolge hatten sie am meisten unter den brutalen Übergriffen zu leiden. Im späten Frühjahr 1995 sollten es die Amerikaner sein, die das untätige Zusehen satt hatten und ihre militärische Stärke dazu nutzten, den Serben eine blutige Nase zu schlagen und alle Konfliktparteien in Dayton, Ohio, an den Verhandlungstisch zu zwingen. Das Abkommen von Dayton sollte im folgenden November
in die Tat umgesetzt werden. Doch das hatte Ricky Colenso nicht mehr erlebt.
    Zu der Zeit, als Ricky nach Travnik kam, konnte man noch überall die Einschläge der vielen Granaten sehen, die von serbischen Stellungen in den Bergen auf den Ort abgefeuert worden waren. Die meisten Häuser schützten ihre Bewohner durch an die Außenwände gelehnte Bretter. Ein Treffer verwandelte sie in Kleinholz, aber das Haus selbst blieb unversehrt. Fensterscheiben fehlten meist und waren durch Plastikplanen ersetzt worden. Die bunt bemalte Hauptmoschee war wie durch ein Wunder verschont geblieben. In den beiden größten Gebäuden der Stadt, dem Gymnasium und der einstmals berühmten Musikschule, drängten sich die Flüchtlinge.
    Jene, deren Zahl die ursprüngliche Einwohnerschaft um ein Dreifaches überstieg, waren von den Feldern und Äckern des Umlandes praktisch abgeschnitten und daher auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Deswegen war es so wichtig, dass Loaves’n’ Fishes und ein Dutzend anderer kleinerer NGOs sich der Stadt annahmen.
    Die beiden Landcruiser konnten bis zu fünf Zentner Hilfsgüter laden und in abgelegene Dörfer und Weiler karren, in denen die Not noch größer war als in Travnik selbst. Mit Freuden erklärte sich Ricky bereit, Säcke mit Lebensmitteln zu schleppen und mit dem Geländewagen in die Berge im Süden zu fahren.
    Vier Monate nachdem er in Georgetown vor dem Fernseher gesessen und die Bilder menschlichen Elends gesehen hatte, war er glücklich, das zu tun, was er tun wollte. Er war gerührt über die

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