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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Vorschulalter bewies er eine herausragende Intelligenz, und später schaffte er spielend die Boston College High School, eine der wichtigsten Nachwuchsschmieden für die führenden Jesuitenschulen in Amerika. Er schloss mit summa cum laude ab.
    Die Dozenten auf dem Bostoner College sahen in ihm einen
Überflieger, dem es beschieden war, eines Tages der Gesellschaft Jesu selbst beizutreten oder gar einen hohen Posten in der akademischen Welt zu bekleiden.
    Er studierte Geisteswissenschaften mit den Schwerpunkten Philosophie und Theologie. Er las alles, verschlang Bücher von Ignatius von Loyola - natürlich - bis zu Teilhard de Jardin. Er diskutierte mit seinem Theologietutor bis tief in die Nacht über die Lehre vom kleineren Übel und übergeordneten Ziel, wonach der Zweck die Mittel heiligt und nicht zur Verdammnis der Seele führt, solange die Grenzen des Unzulässigen nicht überschritten werden.
    1966 war er neunzehn. Der Kalte Krieg erreichte seinen Höhepunkt, und das kommunistische Lager schien noch in der Lage, die Dritte Welt aufzurollen und den Westen zu einer belagerten Insel zu machen. Just zu diesem Zeitpunkt appellierte Papst Paul VI. an die Jesuiten und forderte sie dazu auf, sich zur Speerspitze im Kampf gegen den Atheismus zu machen.
    Paul Devereaux sah in beidem Synonyme: Atheismus war nicht immer gleichbedeutend mit Kommunismus, Kommunismus aber mit Atheismus. Er wollte seinem Land nicht in der Kirche oder der akademischen Welt dienen, sondern auf jenem anderen Platz, den ihm ein Pfeifenraucher, den ihm ein Kollege seines Vaters vorgestellt hatte, in einem Country Club hinter vorgehaltener Hand empfohlen hatte.
    Eine Woche nach seinem Abschluss am Boston College wurde Paul Devereaux als neuer Mitarbeiter der Central Intelligence Agency vereidigt. Für ihn war dies der vom Dichter besungene strahlende, verheißungsvolle Morgen. Die großen Skandale sollten erst noch kommen.
    Dank seiner Beziehungen machte der Sohn aus gutem Haus eine steile Karriere. Den Anfeindungen seiner Neider nahm er mit einer Mischung aus natürlichem Charme und schierer Cleverness die Spitze. Zudem bewies er eine Eigenschaft, die in jenen Jahren in der Agency besonders hoch im Kurs stand: Er
war loyal. Dafür konnte einem Mann eine ganze Menge verziehen werden, bisweilen ein wenig zu viel.
    Er durchlief die drei Hauptabteilungen: Operationen, Nachrichten (Auswertung) und Spionageabwehr (interne Sicherheit). Mit der Ernennung von John Deutsch zum Direktor erhielt seine Karriere jedoch einen Dämpfer.
    Die beiden Männer mochten sich einfach nicht. So etwas kommt vor. Deutsch war kein Eigengewächs des Nachrichtendienstes, sondern der Letzte einer langen und, nachträglich betrachtet, unseligen Reihe von politisch Berufenen. Er glaubte, dass Devereaux, der sieben Fremdsprachen beherrschte, auf ihn herabsah - und er könnte damit durchaus Recht gehabt haben.
    Devereaux hielt den neuen Direktor für einen politisch korrekten Einfaltspinsel, ernannt von einem aus Arkansas stammenden Präsidenten, den er, obwohl selbst Demokrat, verachtete, und das war noch vor Paula Jones und Monica Lewinsky.
    Es war keine Liebesheirat, und es kam beinahe zur Scheidung, als Devereaux einen Abteilungsleiter in Südamerika verteidigte, dem fragwürdige Kontakte nachgesagt wurden.
    Die gesamte Agency hatte die Präsidentenorder 12333 bereitwillig geschluckt, bis auf ein paar Betonköpfe, die schon seit dem Zweiten Weltkrieg im Geschäft waren. Die Order stammte von Präsident Gerald Ford und stellte ein Verbot aller weiteren »Liquidierungen« dar.
    Devereaux hatte schwerwiegende Bedenken, war aber noch nicht lange genug dabei, um nach seiner Meinung gefragt zu werden. Seines Erachtens waren in der äußerst unvollkommenen Welt der geheimen Nachrichtenbeschaffung durchaus Situationen vorstellbar, die es nötig machten, einen Feind in Gestalt eines Verräters zu »liquidieren«, gleichsam als Präventivmaßnahme. Mit anderen Worten, es konnte notwendig werden, ein Leben zu opfern, um zehn andere zu retten.
    Und wenn ein Direktor nicht die moralische Integrität besaß, um mit der letzten Entscheidung in einem solchen Fall betraut
zu werden, sollte er nach seiner Überzeugung gar nicht erst Direktor werden.
    Doch unter Clinton nahm die politische Korrektheit in den Augen des mittlerweile altgedienten Agenten mit der Direktive, übel beleumundete Informanten nicht als Quellen zu benutzen, absurde Züge an. Ebenso konnte man verlangen, seine Quellen auf

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