Der raetselhafte Kunstraub
gewirbelt werden oder wenn es auf der Rutschbahn in die Kurve ging.
Jedenfalls fielen die etwa dreihundert Mädchen und Jungen, die sich aus allen Schulen hinter der Achterbahn versammelten, überhaupt nicht auf.
Als Paul Nachtigall zusammen mit Karlchen Kubatz und Emil Langhans angeradelt kam, herrschte bereits eine Stimmung wie kurz vor dem Ausbruch einer Revolution.
Der kleine Sputnik war nämlich gerade in das Gestänge der Achterbahn geklettert. Dort stand er jetzt und hielt eines der knallroten Plakate mit der 27 in den ausgestreckten Händen.
„Es klebte noch gar nicht, so frisch war es an der Plakatsäule!“ rief er. Dann knüllte er das nasse Stück Papier zusammen und kickte es irgendwo in die Gegend. Wie einen alten Fußball, der nicht mehr gebraucht wird.
Die versammelten Schüler und Schülerinnen jubelten.
Anschließend stellte ein Junge mit einer kurzen Lederjacke fest: „Da muß etwas passieren.“ Er hieß Ulli Buchholz, und so ziemlich alle kannten ihn. Bei den Jugendmeisterschaften lief er nämlich immer für die Maximilianschule als Schlußmann in der 100-Meter-Staffel.
„Deshalb sind wir ja hier“, rief Paul Nachtigall.
Er kletterte auf ein leeres Benzinfaß und bedankte sich bei allen Schülerinnen und Schülern dafür, daß sie gekommen waren. Bei einer internationalen Konferenz in Genf oder Brüssel kann es auch nicht höflicher zugehen.
„Und jetzt schlage ich vor, daß wir zuerst einmal abstimmen. Ihr habt euch ja gestern die ausgestellten Kunstwerke angeschaut und wißt jetzt sicher, welches davon euch am besten gefällt.“
Paul Nachtigall holte tief Luft. „Und davon . hängt es ja schließlich ab, wie die Sache weitergeht.“
„Einverstanden“, erklärte der Junge mit der kurzen Lederjacke.
Auch einverstanden“, sagten die Kohlschen Zwillinge Alexandra und Inge für das Mädchen-Gymnasium.
„Wählt Büste Nr. 27!“ rief der kleine Sputnik und lachte. Er stand immer noch im Holzgestänge der Achterbahn.
Aber man überhörte ihn völlig. Die Versammlung war bereits mit den Vorbereitungen für die Abstimmung beschäftigt. Eine Seifenkiste wurde als Wahlurne aufgestellt, Papierzettel wurden verteilt.
Es sah ganz so aus, als würden alle diese Entscheidung sehr ernst nehmen.
Aus den verschiedenen Schulen wurden Mädchen und Jungen bestimmt, die dafür sorgen sollten, daß jeder seine Stimme geheim und ohne Beeinflussung abgeben konnte. Andere waren dann wieder für die richtige Auszählung verantwortlich.
Man stellte sich in drei Reihen rechts von den leeren Benzinfässern auf. Jeder durfte einen Zettel mit seiner Nummer abgeben. Wer gewählt hatte, wechselte dann auf die linke Seite hinüber.
Das Abgeben der Stimmen nahm eine knappe halbe Stunde in Anspruch. Das Auszählen dauerte ein wenig länger.
Vom Jahrmarkt herüber hörte man die Musik aus den Lautsprechern der Karussells und die Stimmen der Ausrufer vor den Schaubuden.
Immer wieder rumpelten die Karren der Achterbahn über die Schienen.
Und dann war es soweit.
Beinahe gleichzeitig kletterten Paul Nachtigall und Ulli Buchholz wieder auf die leeren Benzinfässer.
Alle herhören!“ rief Paul Nachtigall.
Aber das hätte er sich sparen können. Die Mädchen und Jungen warteten ohnehin, seitdem sie ihre Stimmen abgegeben hatten, nur auf diesen Augenblick. Schon eine ganze Weile standen sie dicht nebeneinander rund um die Benzinfässer herum.
„Macht es nicht so spannend“, quietschte ein Mädchen mit einem himmelblauen Pulli. „Sagt schon, wer gewonnen hat, oder ich platze gleich!“
„Das ist das Abstimmungsergebnis“, begann jetzt Ulli Buchholz. Er hatte einen Zettel in der Hand und grinste.
„Da steht alles drauf.“
„Ich schwöre, ich werde ohnmächtig“, japste das Mädchen mit dem himmelblauen Pulli.
„Die meisten Stimmen hat die Nummer 5“, gab Ulli Buchholz bekannt. „Und zwar zweihundertundelf...“
Aber weiter kam er nicht mehr. Die Versammlung war jetzt völlig außer sich. Mützen flogen in die Luft, Halstücher und auch ein paar Schulbücher.
„Parole 5!“ brüllte der kleine Sputnik, so laut er konnte.
„Parole 5!“ riefen jetzt auch andere und klatschten in die Hände. Man beglückwünschte sich gegenseitig und freute sich, als hätte man gerade zum erstenmal den Mount Everest bestiegen.
Die übrigen Ergebnisse interessierten nicht mehr, dafür war der Abstand, mit dem die Nummer 5 gesiegt hatte, einfach zu groß. An zweiter Stelle lag nämlich, mit nur zwanzig
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