Der raetselhafte Kunstraub
in den Bad Rittershuder Nachrichten. Natürlich interessierte ihn am meisten der Bericht über die Eröffnung des Kunst-Wettbewerbs. Seine gestrige Ansprache war Wort für Wort abgedruckt, und ein Foto zeigte ihn ganz deutlich neben dem Bürgermeister und dem Regierungspräsidenten. Die Herren betrachteten sich gerade die ausgestellten Kunstwerke.
„Ich habe das dunkle Gefühl, lieber Langhans, daß du abschreiben willst.“ Studienrat Purzer blätterte seine Zeitung um, ohne aufzublicken.
Emil hatte tatsächlich versucht, im Heft eines Vordermanns festzustellen, ob man Karambolage mit einem m schreibt oder mit zwei. Einerseits überanstrengst du deine Halsmuskeln, wenn du dir so sehr den Kopf verdrehst“, mahnte der Studienrat weiter. „Und dann bist du nie sicher, ob du überhaupt das Richtige abschreibst.“ Er legte für einen kurzen Augenblick seine Zeitung zur Seite und diktierte den nächsten Satz aus seinem verdammten Diktatbuch.
Die 8b schwitzte zwei volle Stunden.
Kurz vor dem Ende des Vormittagsunterrichts ließ Studienrat Dr. Purzer die Arbeiten einsammeln. Dann wünschte er der Klasse noch einen angenehmen Montag und marschierte mit den Heften unter dem Arm auf den Korridor hinaus.
„Es ist zum Heulen“, jammerte Sputnik. „Sechs Fehler weiß ich jetzt schon“, gab Emil Langhans zu.
Aber das ist nur ein bescheidener Anfang!“
„Ich wette meine Zahnbürste“, regte sich der kleine Kubatz auf. „Er wollte in Ruhe die Zeitung lesen, und nur deshalb hat er uns das Diktat gegeben.“
„Daß ein einzelner Mensch so gemein sein kann“, wunderte sich Hans Pigge. Er tat so, als könnte er es einfach nicht fassen. Auf dem Heimweg fragte Emil Langhans: „Wie schreibt man nun Karambolage wirklich, mit einem oder mit zwei m?“
„Mit einem“, antwortete Manuel Kohl.
„Dann hab’ ich jetzt schon sieben Fehler“, verriet Emil Langhans. Er machte ein Gesicht wie ein Spekulant, der mit einem Knall sein Vermögen verloren hat.
Zum Glück fiel der Nachmittagsunterricht aus. An seiner Stelle sollte für das Sportfest der Schulen trainiert werden.
„Diese Tausendjahrfeiern kosten dich noch deine letzten Nerven“, klagte Frau Kubatz zu Hause beim Mittagessen. „Dein Gesicht wird immer dünner.“
*Ja, das stimmt“, bestätigte Karlchen.
„Ich meine doch deinen Vater“, lächelte Frau Kubatz.
„Wir verkaufen zur Zeit die doppelte Auflage“, lachte Hauptschriftleiter Kubatz. „Für die Bad Rittershuder Nachrichten sind diese Tausendjahrfeiern ein warmer Regen. Da muß ich am Ball bleiben. Hinterher kann ich mich dann auf die faule Haut legen.“
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
„Ja, hier Kubatz“, meldete sich der Hauptschriftleiter. Ah, Sie sind’s, Signore Rinaldi. Nein, Sie stören gar nicht. Wir essen heute kalt. Ja, bei dieser Hitze nur Fruchtkaltschale mit Joghurt. Was gibt’s? Schießen Sie los.“
Eine ganze Weile hörte Herr Kubatz zu, was ihm der Besitzer der Eisdiele zu erzählen hatte.
„Ja, ich habe begriffen. Aber einen Moment, ich muß mir das zuerst einmal überlegen, warten Sie.“ Herr Kubatz legte den Hörer neben den Apparat und machte ein paar Schritte zur Kommode. Er stopfte sich eine Pfeife, und Karlchen kam mit einem Streichholz angeflitzt. „Danke“, sagte Herr Kubatz und paffte die ersten Rauchwolken in die Luft. Er war ganz in seine Gedanken versunken.
Schließlich nahm er den Hörer wieder auf. „Ist gemacht, Signore Rinaldi. Meine Zeitung kann Ihren Auftrag annehmen. Er verstößt meiner Meinung nach nicht gegen die Bedingungen des Wettbewerbs.“ Er griff nach Bleistift und Papier. „Also täglich eine halbe Seite, sagten Sie, Herr Rinaldi? Wenn ich jetzt um den Text bitten darf.“
Fünf Minuten später löffelte die Familie wieder an ihrer Fruchtkaltschale mit Joghurt.
„Entschuldige, aber die Sache ist mir nicht ganz hasenrein“, bemerkte Frau Kubatz nach einer Weile. „Dadurch, daß man keine Namen kennt, sollten alle Künstler die gleichen Chancen haben. Aber damit ist es jetzt vorbei. Ich meine, wenn diese Anzeigen erscheinen zum Beispiel...“
„Das stimmt, verehrte Frau Kubatz“, gab der Hauptschriftleiter zu. „Ihr denkt jetzt vielleicht, daß ich diesen Auftrag nur annehme, weil meine Zeitung damit verdient. So einfach ist das aber nicht. Auch wenn ich es wollte, ich kann diese Anzeigen gar nicht ablehnen. Weil jedermann in einer Zeitung annoncieren kann, wie es ihm Spaß macht, sofern er sich an die Gesetze
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