Der Räuber Hotzenplotz
kippte den Sack mit dem Schnupftabak von der Schulter, dann schmiss er den Hut und den Mantel in eine Ecke und zündete eine Kerze an.
»So, alter Kasper, nun hat es sich ausgefaulenzt, jetzt wird gearbeitet!«
Zunächst musste Seppel dem Räuber Hotzenplotz aus den schmutzigen Stiefeln helfen, dann wurde er losgekettet.
»Marsch an den Herd und mach Feuer! Ich habe mir unterwegs eine fette Gans besorgt. Wenn du Feuer hast, rupfe sie und dann rasch an den Bratspieß. Ich mag sie schön knusprig von allen Seiten, aber pass auf, dass sie dir nicht anbrennt! Einstweilen will ich es mir bequem machen und den Hausrock anziehen.«
Seppel rupfte die Gans und briet sie. Während er brav den Spieß drehte, stieg ihm der Bratenduft in die Nase. Er hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen, ihm wurde ganz schwach davon. Ob ihm der Räuber Hotzenplotz einen Happen abließ?
Aber der Räuber Hotzenplotz dachte gar nicht daran! Als der Gansbraten fertig war, rief er: »Mahlzeit!« Dann aß er den leckeren Vogel ratzeputz auf und Seppel ging leer aus. Er bekam nicht einmal einen schäbigen Knochen zum Abnagen!
»Hmmm – das hat gut geschmeckt!«, sagte Hotzenplotz nach dem Essen und stieß einen Rülps aus. »Nun könnte ich einen Kaffee vertragen . . .«
Er ging an die Truhe und kramte die Kaffeemühle hervor. Großmutters Kaffeemühle! Die füllte er mit Kaffeebohnen.
»Da!«, rief er Seppel zu, »mahle!«
Und Seppel musste auf Großmutters Kaffeemühle für Hotzenplotz den Kaffee mahlen. Dazu spielte die Kaffeemühle »Alles neu macht der Mai . . .« Das war schlimm für ihn – schlimmer als alles andere, was er an diesem Unglückstag erlebt hatte.
»Was ist los mit dir?«, fragte der Räuber Hotzenplotz, als er sah, wie dem guten Seppel die Tränen kamen. »Du siehst mir so traurig aus, Kasperl, das mag ich nicht! Warte, ich will dich ein bisschen aufheitern!«
Er riss Seppel die Zipfelmütze vom Kopf.
»Du gefällst mir nicht in der blöden Mütze! Sie passt nicht zu deinem Gesicht – also weg damit!«
Kurzerhand warf er die Zipfelmütze ins Feuer und ließ sie verbrennen.
»Ist das nicht lustig?«, rief er. »Ich finde, es ist zum Totlachen!«
Hotzenplotz lachte und Seppel weinte. Weinend mahlte er den Kaffee zu Ende und Großmutters Kaffeemühle spielte ihr Lied dazu.
Danach musste Seppel dem Räuber die Stiefel putzen und blank wichsen. Hinterher wurde er wieder angekettet und Hotzenplotz legte sich nieder und blies das Licht aus.
Die halbe Nacht konnte Seppel vor Kummer und Heimweh kein Auge schließen. Er lag auf dem kalten Steinboden zwischen dem Pulverfass und der Pfeffertonne und dachte an Kasperl. Was Kasperl wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass der Räuber Hotzenplotz seine Zipfelmütze verbrannt hatte? Aber – ob er das überhaupt jemals erfuhr, der Kasperl?
»Ach Gott«, seufzte Seppel, »in was für ein böses Schlamassel sind wir da bloß hineingeraten, wir beiden Pechvögel!«
Aber zu guter Letzt überkam ihn dann doch der Schlaf. Und er träumte von Kasperl und seiner Großmutter, wie sie in Großmutters Stube bei Kaffee und Kuchen saßen – bei Pflaumenkuchen mit Schlagsahne selbstverständlich! –, und Kasperl trug seine Kasperlmütze und alles war gut und in schönster Ordnung. Es gab keine Kette mehr um den Fuß, keine Räuberhöhle und keinen Hotzenplotz.
Hätte doch dieser Traum nie ein Ende genommen!
Aber das Ende kam viel zu früh für den armen Seppel:
Pünktlich um sechs Uhr morgens hatte der Räuber Hotzenplotz ausgeschlafen und weckte ihn.
»He, du Schlafmütze! Aufstehen, an die Arbeit!« Kaffee mahlen, Holz hacken, Feuer machen. Dann frühstückte Hotzenplotz ausgiebig, während Seppel dabeistand und zuschauen durfte. Abräumen, Wasser holen, Geschirr waschen. Hernach musste Seppel den Schleifstein drehen und Hotzenplotz schliff seinen krummen Räubersäbel darauf und die sieben Messer.
»He, mach schon, du Bummelkasper! Ein Schleifstein ist keine Drehorgel! Schneller, schneller!«
Als auch das siebente Messer geschliffen war, durfte Seppel wieder in seinen Winkel kriechen und kam an die Kette. Dann warf ihm der Räuber Hotzenplotz einen Kanten verschimmeltes Brot vor.
»Da – iss, dass du nicht verhungerst, Kasperl! Ich gehe nun meinem Beruf nach wie alle Tage. Du aber darfst auf der faulen Haut liegen und dich ausruhen. Dafür wirst du heute Abend, wenn ich wieder zu Hause bin, umso fleißiger für mich arbeiten! Warum soll es dir besser ergehen als deinem
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