Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Haus zurück und warf die Tür hinter sich zu. Newill lag auf dem Beton des Gehwegs und kämpfte erkennbar mit den Tränen. Die Kameras filmten einen Scheck über fünf Riesen, der aus dem Off behutsam auf seine linke Wange platziert wurde, und dann lief der Abspann über die Schirme.
***
Am nächsten Tag stattete der Teufel Memory einen Besuch ab.
»Wir hatten gleich in der Debütsendung den ersten Platz in den Ratings«, sagte er, als er vor ihrem Bett kniete. »Damit sind wir ungefähr achthundert Plätze vor deinem Koma-Channel. Man könnte sagen, deine Ratings wirken daneben geradezu schläfrig .«
Nur der Teufel sinkt so tief, dass er Leuten im Koma blöd kommt.
Memorys Hände waren zu Fäusten geballt. Manchmal bogen die Pfleger ihre Finger gerade, um beispielsweise ihre Nägel zu schneiden und zu verhindern, dass sie in die Handflächen einwuchsen.
»Nun«, sagte der Teufel mit hoher Stimme, als wäre er Memory. »Herzlichen Glückwunsch zu deiner sensationell erfolgreichen neuen Serie.«
»Danke, Baby«, antwortete er mit seiner eigenen Stimme und wandte sich zum Gehen. Er küsste sie auf die Stirn.
Dann flog er hinaus nach Westen, zu Jenna, und sie kreischte »Johnnnnyyyyyyyyyyyy!« und ritt eine Runde auf ihm, bevor sie ausgingen und sich betranken und Eiscreme aßen und beim Feiern von jeder Menge Paparazzi fotografiert wurden.
39
Seine
große
Pilotsendung
Los Angeles, 2003
Noch eine Woche nach seiner großen Pilotsendung erhielt der Teufel in der Öffentlichkeit gemischte Reaktionen.
Er fuhr in der Kennedy-Limousine herum, mit offenem Dach, und war schon deswegen nicht zu übersehen. Die Leute schrien ihm zu oder machten Bilder mit ihren Mobiltelefonen.
Andere beobachteten in unbehaglichem Schweigen, wie er vorbeifuhr.
Er fragte sich immer wieder, was Memory wohl dazu sagen würde. Zu seiner Show und einer Reihe anderer Dinge. Dem Wetter beispielsweise. Glühbirnen. Arztrechnungen. Straußen. Sie war zu seinem Kompass geworden. Er brauchte sie, wie er sich bereitwillig eingestand.
Der Teufel hielt vor einem Stoppschild und winkte ein paar Fans zu. Mädchen pfiffen. Einige Jungen reckten die Fäuste in die Luft.
Er brauchte sie? Er wurde weich.
Er wurde weich, weil die ganze Welt im Begriff stand, weich zu werden.
»Die Menschen haben dieser Tage so kleine, verzagte Seelen«, grollte er. »Wir leben in kleinen, verzagten Zeiten. Sonst würden die Leute über wirklich wichtige Dinge reden und nicht über das, was sie am Abend zuvor im Fernsehen gesehen haben, aber … auf wen bist du eigentlich sauer?«, fragte er zurück. »Wo liegt das wirkliche Problem, eh?«
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er vor einer Ampel stand, hyperventilierend und im Selbstgespräch versunken.
Einige Mädchen von der anderen Straßenseite machten Fotos von ihm.
***
Wie eine Schnappschildkröte verhärtete er äußerlich. Seine Augen waren charismatische Lanzen, sein TV -Lächeln blitzte wie ein Mund voller Combatmesser. Er versuchte nicht daran zu denken, was in seinem Innern geschah. Er versuchte überhaupt nicht mehr in sich hinein zu schauen.
Es gab weitere Folgen, die gesendet werden wollten – jetzt, da sie wussten, welch ein Riesenerfolg Think it over … Denk drüber nach war.
Sie drehten eine Folge in einer Schule, wo er einen Lehrer dazu aufforderte, den Eltern seiner Schüler das zu sagen, was sie wirklich erfahren sollten. Also erzählte der Lehrer einer Gruppe von Eltern am Tag der Offenen Tür, was jeder wusste und niemand laut zu sagen wagte: dass die Jugend Amerikas von Tag zu Tag dümmer wurde, weil die Eltern zu Hause sie nicht dazu anhielten zu lesen oder sich ordentlich zu benehmen. Die Eltern waren sauer. Der Lehrer wurde gefeuert, doch als er zu seinem Wagen ging, hatte er ein breites Grinsen im Gesicht.
Sie drehten eine Folge, wo sie ehrbaren Leuten, Pfeilern ihrer Gemeinden, fünfhundert Dollar boten, wenn sie – selbstverständlich anonym – über einen Parkplatz von Babys’R’Us liefen und schwangeren Frauen die Luft aus den Reifen ließen. Die meisten weigerten sich. Es war eine überraschende Episode. Sie wurde eine Woche später wiederholt, diesmal jedoch mit tausend Dollar als Belohnung, und die Geschichte sah ganz anders aus.
Die Einschaltquoten gingen durch die Decke.
Sie drehten eine Folge mit einer Frau, deren Ehemann sie regelmäßig verprügelte und sie umzubringen drohte, falls sie ihn verließ. Sie sollte herumgehen und überall erzählen, dass sie ihn
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