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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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sagen hören. Wiederum andere meinten, der Teufel hätte überhaupt nichts gesagt, sondern mit den Augen geblitzt wie der Elektronenblitz einer Kamera. Und es gab jene, die erzählten, er hätte einfach nur dagestanden und verärgert dreingeblickt.
    Worin sich alle einig waren – der Penis des Ariers fiel ab. Er purzelte durch das weite linke Hosenbein seines Gefängnisoveralls und rollte auf den Fußboden. Der Arier drehte völlig durch und schrie, und Wachen strömten herein. Sie packten den Teufel und wollten ihn in Einzelhaft stecken, bis sie sahen, was passiert war, und bis sie erfuhren, dass der Teufel keinen Finger gerührt hatte.
    Gefängnisärzte fummelten das Ding wieder an seinen Platz, und das war das letzte Mal, dass der Teufel etwas von der Arischen Bruderschaft gehört hatte.
    ***
    Jenna Steele kam ihn besuchen, als er das erste Jahr im Gefängnis um hatte.
    »Du hast mich sitzen lassen!«, giftete sie in das Besuchertelefon und klopfte mit einem langen schwarzen Fingernagel wütend gegen das Fenster.
    »Ich sitze im Gefängnis«, erinnerte er sie.
    »Wie egoistisch du bist!«, heulte sie und stürmte ohne ihre Handtasche davon, machte kehrt, um sie zu holen, und stürmte mit ihrer Handtasche davon.
    ***
    Nach und nach umgab den Teufel ein unheiliger Ruf. Seine Mitinsassen bemühten sich nach Kräften, seine Billigung zu gewinnen.
    Sie zeigten ihm manchmal Dinge. Dinge, die ihn auf die einzige Weise beeindrucken sollten, die sie kannten.
    Der Anführer der Vietnamesengang beispielsweise zeigte ihm eine Sammlung menschlicher Skalps.
    Der älteste Insasse, ein neunzigjähriger Männerschänder, der in der Cafeteria arbeitete, zeigte ihm ein Loch in seinem Bein, das groß genug war, um eine tote Ratte hindurchzuziehen.
    Jemand ließ ihm ein frisch abgeschnittenes menschliches Ohr da, ein Wichtelgeschenk.
    Selbst die Wärter wollten ihn beeindrucken. Eines Nachts wachte er auf und fand drei von ihnen in seiner Zelle. Sie beobachteten ihn über den Rand seines Hochbettes hinweg.
    »Komm mit«, sagte einer von ihnen.
    »Komm mit«, echoten die beiden anderen.
    Sie traten zurück und ließen ihn herunterklettern. Dann führten sie ihn durch die Gittertüren in den nächsten Block, durch die dunkle Cafeteria und den Gewichtsraum zu einer Treppe, die nach unten führte, immer tiefer nach unten bis zu den speziellen Kerkerzellen, die es in jedem Gefängnis gibt und über die niemand jemals redet. Dort sperrten sie ihn zu einem anderen Gefangenen in die Zelle. »Wir dachten, das würde dich vielleicht interessieren«, sagten sie.
    Der Teufel war verwundert, doch dann gewöhnten sich seine Augen an das Halbdunkel, und er warf einen Blick auf seinen Mitinsassen.
    Er war ein Skelett.
    Zumindest sah er aus wie eines. Er atmete, er hatte Augen, die hierhin sahen und dorthin, doch er hatte keine Haare und keine Zähne mehr.
    »Wie lange bist du schon hier unten, Bruder?«, fragte der Teufel.
    Der andere gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Der Teufel begriff, dass er versuchte zu reden. Sein Verstand war wirr.
    Der Teufel versuchte ihn dazu zu bringen, bis fünf zu zählen, seinen Namen zu sagen, ihm zu verraten, wie alt er war oder welches Jahr seiner Meinung nach war. Doch die einzige Antwort war weiteres Gurgeln.
    Zu den Mahlzeiten bewegte er sich. Er kroch stöhnend zu dem Schlitz neben der Tür, aß von seinem Tablett, wo es erschien, und schob es nach kurzer Zeit lustlos zurück in den Korridor. Dann kroch er an seinen Platz und verharrte wieder.
    Als die Wärter den Teufel holen kamen, informierten sie ihn, dass der Mann seit fünfzehn Jahre in Einzelhaft saß. Er war ihre Prise, ihre unmissverständliche Mahnung an die anderen Insassen, vorsichtig zu sein.
    Die Wärter mussten schlimmer sein als die Gefangenen, erklärten sie ihm.
    Irgendwie ergab es Sinn.
    ***
    Nachdem die Wärter dem Teufel ihr Schoßtier gezeigt hatten, fand er das Gefängnis viel bestürzender als zuvor. Das waren Menschen? Das war die Spezies, von der er geglaubt hatte, sie könnte eines Tages Gott herausfordern?
    Beinahe hätte er seinen Aufenthalt beendet. Doch zu bleiben war zu einer Übung in Disziplin und Schmerzmanagement geworden, ähnlich wie bei einem Kung-Fu-Meister, der seine Hand über eine brennende Kerzenflamme hält.
    Er versuchte, nicht mehr an die Kreatur unten im Kerker zu denken, doch es ging nicht. Wenn du nicht aufhören kannst, an etwas zu denken, dann versucht das Unterbewusstsein, deine Aufmerksamkeit zu

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