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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Verwahrlosung, von Straßenkämpfen, Entführungen, Erpressungen, Prügelstrafen, kurzum: In diesem Lande herrschten Mord, Totschlag und Willkür. Und nicht nur die Beis, auch der im Elend lebende einheimische Pöbel bedrohten jeden Reisenden. Würde der Anblick der Pyramiden, vom dem der Baron träumte, seit er lesen konnte, diese Gefahren aufwiegen? Was aber, wenn er im Kerker eines auf Lösegeld erpichten Beis verschwände, wo sich verrohte Turbanköpfe die Zeit damit vertrieben, ihren Gefangenen das Fleisch von den Fußsohlen zu peitschen?
    Aber dann waren auf einmal die Franzosen in Ägypten gelandet, und zwar nicht nur mit ihrer Armee, sondern mit einer ganzen Schar von Wissenschaftlern im Troß. Nun plünderten sie sein Ägypten! In Kairo hatten sie eigens dafür ein Institut gegründet, wie Ravenglass in den Zeitungen lesen mußte. Im September 1799 hatte der »Courrier d’Egypte« gemeldet, daß Soldaten bei Schanzarbeiten auf einen dreisprachig beschrifteten Stein gestoßen waren, von dem sich die Gelehrten Aufschluß über die Hieroglyphen versprachen, die seit Jahrhunderten von keinem Menschen mehr gelesen werden konnten und in denen sich angeblich alle Weisheiten des Pharaonenvolks verbargen. Die Vermutung des Finders, eines subalternen Offiziers, bei dem Stein handele es sich um einen wissenschaftlich wertvollen Fund, hatte sich unter den Augen der Gelehrten bestätigt. Der altgriechische Text im unteren Drittel des Stelenfragments war umgehend übersetzt worden. Er erwies sich als eine Priesterschrift aus der Spätzeit des altägyptischen Reiches, vom Anfang des 2. Jahrhunderts vor Christus, deren Schlußzeilen lauteten:»Das Dekret soll auf eine Stele aus hartem Stein geschrieben werden: in heiligen Zeichen, in volkstümlichen Zeichen und in griechischen Zeichen.« Der Schlüssel zur versunkenen Sprache der Pharaonen befand sich in der Hand der Franzosen!
    Das war es also, was den Franzosenfeind Ravenglass noch extra in Rage brachte.
    Aber dann wendete sich das Kriegsglück allmählich zugunsten Englands. Ravenglass mußte seinen Außenminister nicht drängen, er möge im Kabinett dafür plädieren, das französische Ägyptenkorps nach dem Seesieg auch an Land anzugreifen – das verfügte die Regierung sowieso. Der in Nordostafrika stehende Feind blockierte die Landenge von Suez, einen der Verbindungswege zwischen England und Asien, und bedrohte damit die Interessen in Indien, der Hauptquelle des englischen Reichtums. Es war bekannt geworden, daß dieser General Bonaparte mit dem Gedanken liebäugelte, den Zug Alexanders des Großen nachzuahmen und auf den Subkontinent loszumarschieren. Wofür sich Ravenglass aber einsetzte – und wofür er den anfangs verständnislosen Außenminister Lord Hawkesbury schließlich gewinnen konnte –, das war der Beschluß, der französischen Gelehrtenkommission sämtliche, aber auch wirklich sämtliche ägyptischen Altertümer abzunehmen, vor allem eben jenen Dreisprachenstein.
    Im September 1801 traf – endlich! – die Nachricht ein, die französische Armee habe sich den englischen Truppen ergeben und in Kairo die Kapitulationsurkunde unterzeichnet. Damals erhielten alle Bediensteten von Calderby Castle einen Tag Urlaub.
    Unter heftigen Protesten hatten die Franzosen ihre Kriegsbeute schließlich herausgeben müssen. Wenn der Baron daran dachte, umspielte ein süffisantes Lächeln seinen Mund. Natürlich war ihm klar, daß die Franzosen Kopien des Steines angefertigt hatten und daß es das Ehrgefühl britischer Offiziere nicht zuließ, den geschlagenen Gegner zur Herausgabe wissenschaftlicher Aufzeichnungen zu zwingen. Der Text war in der Welt, die Experten würden sich auf ihn stürzen und sein Geheimnis zu lüften versuchen, allen voran der PariserOrientalist Silvestre de Sacy, Frankreichs Koryphäe für alte Sprachen. Das war nicht zu verhindern. Aber der Stein würde im Britischen Museum in London seinen Ehrenplatz erhalten, zum Ruhme der englischen Waffen, als Tabernakel der Wissenschaft, und er, Ravenglass, würde ihn endlich zu Gesicht bekommen. Leider, leider war der Fund viel zu bedeutend, als daß ihm ein Platz in des Barons privater Sammlung beschieden sein könnte.
    »Es ist angespannt, Sir«, meldete der Butler.
    Ravenglass erhob sich ächzend aus seinem Lesesessel, seinem Lieblingsplatz, wobei das Ächzen nicht von der Bewegung herrührte – der Baron war ein drahtiger Mann, der, wie gesagt, noch regelmäßig zur Jagd ritt –, sondern vom

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