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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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stattlichen Geld- und Getreidegeschenken. Außerdem, las man weiter, habe er die gottlosen Feinde vernichtet, die »über das Meer und vom Land her in Ägypten eingedrungen waren«, sowie »Tempel und Schreine und Altäre gestiftet«. Deshalb hätten die Priester beschlossen, »die bereits bestehenden Ehrungen für den König Ptolemaios, der ewig lebt, geliebt von Ptah, beträchtlich zu vergrößern, ebenso diejenigen für seine Eltern«: An der »sichtbarsten Stelle in jedem Tempel« sei »ein Standbild des ewig lebenden Königs Ptolemaios, geliebt von Ptah«, aufzustellen, und alle Priester sollten den Standbildern dreimal am Tage huldigen; ferner werde für den Herrscher »in jedem der Tempel ein goldener Schrein errichtet und bei den großen Festen in der Prozession mitgetragen«; schließlich widme man »König Ptolemaios, der ewig lebt, geliebt von Ptah«, einen jährlichen Feiertag, an welchem in allen Tempeln des Landes seiner gedacht werde. Und damit dieses Dekret allen im Lande zur Kenntnisgelange, werde es »in eine Stele aus hartem Stein eingemeißelt und in jedem Tempel der ersten, zweiten und dritten Ordnung neben dem Standbild des ewig lebenden Königs aufgestellt«.
    Welche eine Speichelleckerei, dachte Sacy, und bei dieser Gelegenheit fiel ihm der Erste Konsul ein. Soso, Bonaparte wünscht also, daß ich das hier entziffere. Interessant, was dieser Emporkömmling sich so alles wünscht. Warum befiehlt er es eigentlich nicht? Und dieser Minister Chaptal behauptet allen Ernstes, die Söhne Frankreichs hätten ihr Blut für diesen Stein hergegeben. Als ob es Napoleon in Ägypten darum gegangen wäre! Nach dem verlorenen Feldzug – wobei man ihm zugute halten muß, daß es bislang der einzige war, den er verloren hat – spielt er auf einmal den Förderer der Altertumswissenschaften. Zwar hat Frankreich die gesamte ägyptische Kriegsbeute hergeben müssen, aber man besaß ja noch die Aufzeichnungen der Gelehrtenkommission, ein ungeheueres Konvolut vor allem von detaillierten Zeichnungen, Sacy hatte Teile davon gesehen. Unermüdlich hatten die Zeichner, teilweise unter Lebensgefahr, alles auf Papier festgehalten, was Ägypten an Geheimnisvollem und Sehenswertem zu bieten hatte: Städte, Pyramiden, Tempel, Ruinenlandschaften, Königsgräber, Skulpturen, Mumien, Reliefs, Alltagsgegenstände, Tiere, Pflanzen – und natürlich Hieroglyphen, immer wieder Hieroglyphen. Hunderte akribisch genauer Zeichnungen waren so entstanden, und Napoleon hatte angeordnet, alle in Kupfer zu stechen und in einem mehrbändigen, großformatigen Monumentalwerk zu veröffentlichen. »Description de l’Egypte« – Beschreibung Ägyptens – sollte das Opus magnum schlicht heißen, an dem nun eifrig gearbeitet wurde. Das gebildete Europa sprach von der Wiederentdeckung des alten Ägypten durch die Franzosen. Dieser Korse war ein Fuchs. Natürlich hatte er den Feldzug nicht verloren, er hatte sich ja rechtzeitig davongemacht und die Armee in Afrika ihrem Schicksal überlassen, um sich in Paris am 18. Brumaire 1799 an die Macht zu putschen. Was kümmern so einen die besten Söhne Frankreichs, außer daß man auf ihren Rücken zum Staatschef aufsteigen kann?
    »Aber sicher, Bürger Erster Konsul«, murmelte der Orientalist, »selbstverständlich wird Silvestre de Sacy zum Triumph der ägyptischen Kommission noch den Triumph der Entzifferung liefern. Wenn Eure Herrlichkeit es wünschen, wandelt er auch auf dem Wasser!«
    Ich bin überhaupt gespannt, grübelte er weiter, wie lange sich dieser Korse mit der Rolle des Primus inter pares, des ersten von drei Konsuln, begnügen wird. Der Mann will doch ganz nach oben. Ohne Frage, er ist ein Genie – und für ein solches hielt man bis vor kurzem, genau bis vor sechs Monaten, übrigens auch mich, aber nun stehe ich vor diesem Stein und mache mich lächerlich. Jawohl, ganz Paris, ach was, ganz Frankreich wird über mich lachen! Der große Sprachforscher kapituliert vor einem ordinären Basaltklumpen. Er kann die Schrift nicht lesen, obwohl die Übersetzung quasi mitgeliefert ist. Silvestre de Sacy ist ein Idiot!
    Es klopfte, und das Mädchen kam mit dem Frühstück. Wortlos bedeutete ihr der Gelehrte, sie möge es auf den Schreibtisch stellen.
    Habe ich, überlegte Sacy, nachdem er wieder allein war, tatsächlich schon wieder zwei Stunden vertrödelt, indem ich hier herumstehe und auf diese Zeichen starre? Herrgott, er wußte nicht einmal, in welcher Sprache die Texte verfaßt waren, denn

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