Der Ramses-Code
Königsschild in Karnak geschrieben steht
lautet:. Manetho erwähnt in seiner 22. Dynastie einen Pharao namens Sesonchis, der um 950 vor Christus die Herrschaft über Ägypten antrat, und die Bibel berichtet – in den Büchern Könige und Chronik – von einem Pharao Schischak, der während der Herrschaft von Israels Königs Rehabeam, dem Sohn Salomos, Jerusalem eroberte. Die Namenskartusche liest sich Sch–sch–n–k. Schischak – Scheschonk. Sesonchis? Es könnte ein und derselbe sein, ich meinesteils glaube es, und das wäre eine glänzende Bestätigung der Chronologie des Manetho und der biblischen Chronologie, zunmindest der späten. Zu Psammetich: Es kann sich deshalb nicht um sein Grabmal handeln, weil in diesem Fall ja wohl sein Name und nicht der eines anderen an dessen Wänden stünde. Psammetich schreibt sich so:
PSMTK. Psammetikos. P, T und S kennen wir unter anderem von Ptolemaios, das K von Kleopatra, und daß die Eule für M steht, wissen wir durch das Krokodil. Diese Kartusche ist auf Ihren Faksimiles nicht vertreten, dafür aber immer ähnliche wie diese
Nach meiner Überzeugung verkörpert das sitzende Wesen den Chaosgott Seth. Plutarch hat berichtet, daß der Esel das heilige Tier des Seth gewesen sei, durch Athanasius von Alexandria kam die Überlieferung auf uns, dieser Gott werde von den Ägyptern als Menschenwesen mit Eselskopf dargestellt. Das Grab gehörte in Wirklichkeit Pharao Sethos, den Manetho zur neunzehnten Dynastie zählt. Sethos, geliebt von Ptah. Der Name des Ptah steht am Anfang der Kartusche, weshalb Mister Young offenbar annahm, der Herrschername beginne mit P und fälschlicherweise auf Psammetich schloß. Aber es handelt sich um Sethos.«
Young schaute wie ein Geprügelter, Belzoni sperrte die gewaltigen Nüstern auf, als wolle er den wirklichen Namenseines prächtigen Fundes einatmen, einige Zuschauer machten Ah!, und Sacy, der alte, ehrwürdige, berühmte Orientalist, erhob sich, ein feines, vielleicht auch eine Spur säuerliches Lächeln auf dem durchgeistigt-häßlichen Antlitz. Er trat auf den Redner zu und schüttelte ihm nicht eine, sondern gleichzeitig beide Hände, was beinahe so anmutete, als wenn er seinen einstigen Schüler zum Tanze auffordern wollte; eine spontane, linkisch-rührende Geste, die von Herzen kam.
»Mein lieber Champollion«, sagte er mit bewegter Stimme, »ich gratuliere Ihnen, ich neige mein altes Haupt vor einer der bedeutendsten geistigen Leistungen, deren Zeuge ich werden durfte. Dank Ihrer Arbeit befindet sich der eineinhalb Jahrtausende verlorene Schlüssel zur ägyptischen Geschichte wieder in unseren Händen. Mir fehlen die Worte. Ich bin begeistert. Ich werde mich dafür einsetzen, daß Sie eine Anstellung bekommen, daß Sie das Pharaonenreich zum Sprechen bringen und Ihr bahnbrechendes Werk auf Staatskosten drucken lassen können.«
Allgemeiner Applaus setzte nach dieser Lobesrede ein, die meisten der Zuhörer eilten auf Champollion zu, umringten ihn, voran der würdevolle Dacier, hocherfreut darüber, daß seiner Einschätzung des zuallererst ihm vorgelegten Entschlüsselungswerkes allgemeine Zustimmung erwuchs. Fourier klopfte Jean-François mehrmals auf die Schulter und sagte: »Ich erinnere mich noch, wie Sie damals zu mir in die Grenobler Präfektur kamen, ein elfjähriger Knabe, und wie Sie sagten: ›Ich werde diese Zeichen lesen!‹ Nun schließt sich der Kreis. Ich habe es immer gewußt.«
Jean-François wollte es scheinen, als fiele all die jahrelange Anstrengung von ihm ab, aber in seiner Euphorie beunruhigte ihn etwas. Er wollte endlich wissen, was es mit diesem schwarzen Schleier auf sich hatte. Er drehte sich um, doch gerade jetzt umarmte ihn Belzoni als Helden des Abends so leidenschaftlich, daß ihm die Luft wegblieb, und rief dabei: »Bravo! Bravo, Maestro! Also Sethos, nun gut, dann eben Sethos, das ist mir auch irgendwie lieber. Schließlich ist meine Entdeckung damit im Handumdrehen Hunderte Jahre älter geworden.« Denon schüttelte ihm die Hand mit den Worten:»Den Sieger erkennt man meist schon am Start«, Dom Raphaël, der Koptenmönch, versicherte, die Begeisterung mühsam hinter seiner habituellen Zurückhaltung verbergend, dies sei der schönste Tag seines Lebens, da er erfahren habe, daß ihre, der Kopten, Liturgiesprache, die Jean-François besser beherrsche als jeder andere Lebende, in gewisser Weise identisch sei mit der Sprache der Pharaonen. Auch Alexander von Humboldt, der berühmte deutsche
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