Der Raritätenladen
jemand ein Leid tat, und trotzdem will es nicht gehen! Doch nur Geduld, Geduld! Nur nicht die Hoffnung aufgeben!«
Diese Worte wurden zu leise gesprochen, als daß sie die Ohren der jungen Männer hätten erreichen können. Herr Swiveller glaubte augenscheinlich, sie bezögen sich auf einen inneren Kampf – eine Folge des mächtigen Eindrucks seiner Rede, denn er stieß seinen Freund mit dem Spazierstock an und flüsterte ihm zu, er sei überzeugt, »die Riegel gelöst« zu haben, wofür er übrigens auch seinen Anteil an dem Ertrage erwarte. Als er aber nach einer Weile seinen Irrtum entdeckte, schien er etwas schläfrig und unmutig zu werden, und er hatte bereits zu wiederholten Malen darauf hingedeutet, daß er es für passend hielte, sich zu entfernen, als die Tür aufging und das Kind selbst hereintrat.
Drittes Kapitel
Dicht hinter dem Kinde erschien ein ältlicher Mann mit merkwürdig harten Zügen, einem abstoßenden Äußern und von so kleiner Gestalt, daß man ihn wohl für einen Zwerg halten konnte, obgleich Kopf und Gesicht selbst für den Körper eines Riesen noch groß genug gewesen wären. Seine schlauen schwarzen Augen rollten verschmitzt umher, Mund und Kinn starrten von den Stoppeln eines rauhen, harten und stacheligen Bartes, und seine Gesichtsfarbe konnte man weder rein noch gesund nennen. Was aber den grotesken Ausdruck seines Gesichts noch erhöhte, war ein unheimliches Lächeln, welches – augenscheinlich das bloße Ergebnis der Gewohnheit – durchaus kein heiteres und behagliches Gefühl verriet und
ihm ganz das Aussehen eines keuchenden Hundes gab, indem es die mißfarbigen paar Fänger, welche noch in seinem Munde staken, zur Schau stellte. Sein Anzug bestand aus einem großen Hute mit hohem Kopf, abgetragenen schwarzen Kleidern, einem Paar sehr umfangreicher Schuhe und einem schmutzigen weißen Halstuche, das bereits hinreichend zerknüllt war, um den größten Teil des scharf hervortretenden Adamsapfels sichtbar werden zu lassen. Die noch vorhandenen Haare waren schwärzlichgrau, kurz abgeschnitten und gegen die Schläfen ins Gesicht gestrichen, während sie gegen die Ohren als zottige Franse überhingen. Seine schmutzigen Hände hatten eine rauhe, grobe Haut, und die langen, krummen Fingernägel zeigten eine gelbe Farbe.
Ich hatte hinreichend Zeit, alle diese Einzelheiten gewahr zu werden; denn sie waren, selbst für einen flüchtigen Beobachter, augenfällig genug, und es verging eine geraume Weile, ehe das Schweigen von irgendeiner Seite gebrochen wurde. Die Kleine trat schüchtern auf ihren Bruder zu und legte ihre Hand in die seinige, während der Zwerg – wenn wir ihn so nennen dürfen – mit scharfem Blick alle Anwesenden musterte und der Raritätenkrämer, der augenscheinlich diesen ungeschlachten Besuch nicht erwartet hatte, verwirrt und verlegen zu sein schien.
»Ah!« sagte der Zwerg, nachdem er die Augen mit der Hand beschattet und den jungen Mann aufmerksam betrachtet hatte, »das sollte also Ihr Enkel sein, Nachbar?«
»Sagen Sie lieber, er sollte es nicht sein«, versetzte der alte Mann; »aber leider ist er es.«
»Und dieser?« fuhr der Zwerg fort, indem er auf Dick Swiveller zeigte.
»Ein Freund von ihm und hier ein ebenso willkommener Gast als er selbst«, antwortete der alte Mann.
»Und der ?« fragte der Zwerg weiter, indem er sich umdrehte und auf mich deutete.
»Ein Herr, der so gütig war, Nell nach Hause zu führen, als sie sich letzthin auf dem Rückweg von Ihrem Hause verirrte.«
Der kleine Mann wandte sich nach dem Kinde um, als wolle er mit ihr zanken oder seine Verwunderung über ihre Ungeschicklichkeit ausdrücken; da sie jedoch mit dem jungen Manne sprach, schwieg er und beugte den Kopf vor, um zuzuhören.
»Nun, Nelly«, sagte der junge Mensch laut, »man lehrt dich wohl, mich zu hassen, nicht wahr?«
»Nein, nein – pfui, schäme dich! O nein!« rief das Kind.
»Oder mich zu lieben vielleicht?« fuhr der Bruder mit einem höhnischen Lachen fort.
»Keines von beidem«, entgegnete sie. »Man spricht nie von dir. Gewiß, es geschieht nie.«
»Darauf wollte ich schwören«, sagte er, indem er einen bitteren Blick auf seinen Großvater fallen ließ. »Ja, darauf wollte ich schwören, Nell. Ich will dir hier aufs Wort glauben.«
»Aber ich habe dich sehr lieb, Fritz«, erwiderte das Kind.
»Kein Zweifel!«
»O gewiß, und ich will es immer tun«, wiederholte das Kind mit großer Bewegung. »Aber ach, wenn du nur aufhören wolltest, ihn zu
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