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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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der von seinem Schreibebock aufgestanden war und jetzt in der Kanzlei auf und ab spazierte.
    »Ah, das ist das Memorandum?« sagte Braß, indem er das Dokument mit den Augen überflog. »Sehr gut! Nun, Herr Richard, sagte der Herr sonst noch etwas?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie auch ganz gewiß, Herr Richard«, sprach Braß feierlich, »daß der Herr nichts weiter sagte?«
    »Zum Henker, keine Silbe!« versetzte Dick.
    »Besinnen Sie sich noch einmal!« fuhr Braß fort. »Es ist meine Pflicht, Sir, in der Stellung, in der ich mich befinde, und als ein achtbares Glied des Advokatenstandes, des ersten Standes in diesem Lande, Sir, oder in was immer für einem andern Lande, oder auf irgendeinem der Planeten, die des Nachts über uns scheinen und mutmaßlicherweise bewohnt sind, es ist meine Pflicht, Sir, als ein achtbares Mitglied dieses Standes, Ihnen in einer so delikaten und wichtigen Angelegenheit keine Suggestivfragen vorzulegen. Sagte der Herr, der von Ihnen gestern den ersten Stock mietete und einen Koffer von Wert, einen Koffer von Wert , mit sich brachte, noch etwas anderes, als hier in diesem Memorandum niedergeschrieben ist?«
    »Hör auf, sei kein Narr!« sagte Miß Sally.
    Dick sah zuerst sie, dann Herrn Braß und dann wieder Sally an und sagte noch immer:
    »Nein.«
    »Puh, puh! Hols der Henker, Herr Richard, wie einfältig Sie sind!« rief Braß, das Gesicht zu einem Lächeln verziehend. »Sagte er denn nichts von seinem Eigentum? Heraus damit!«
    »Das ist die rechte Art zu fragen«, sagte Miß Sally, ihrem Bruder zunickend.
    »Sagte er nicht zum Beispiel«, fügte Herr Braß in einem behaglichen, beschwatzenden Tone hinzu, »wohlgemerkt, ich will nicht behaupten, daß er es sagte, ich frage Sie nur, um Ihrem Gedächtnis nachzuhelfen, sagte er nicht zum Beispiel, daß er fremd in London sei, daß er durchaus nicht Lust habe oder imstande sei, Referenzen zu geben, daß er fühlte, wir hätten ein Recht, sie zu verlangen, und daß er, im Falle ihm je etwas widerführe, ausdrücklich wünschte, ich sollte sein auf meinem Grunde befindliches Eigentum als das meinige betrachten, als kleine Entschädigung für die Unruhe und Unannehmlich
keit, die mir erwachsen könnte; mit einem Wort«, fügte Herr Braß noch zutraulicher und einschmeichelnder hinzu, »kam Ihnen der Gedanke, ihn in meinem Namen unter diesen Bedingungen als Mietsmann aufzunehmen?«
    »Gewiß nicht«, versetzte Dick.
    »Wohlan denn, Herr Richard«, sagte Braß, indem er ihm einen finstern und vorwurfsvollen Blick zuwarf, »so ist es meine Meinung, daß Sie Ihren Beruf verfehlt haben und daß Sie nie einen Advokaten abgeben werden.«
    »Nein, und wenn Sie tausend Jahre lebten«, fügte Miß Sally bei.
    Bruder und Schwester nahmen hierauf eine geräuschvolle Prise Schnupftabak aus der kleinen zinnernen Dose und versanken in ein düsteres Nachdenken.
    Bis zu Herrn Swivellers Essenszeit, die für drei Uhr festgesetzt war – ihm schien es allerdings, als hätte er noch drei Wochen zu warten –, fiel nichts mehr vor. Mit dem ersten Glockenschlage verschwand der neue Schreiber, und mit dem letzten der fünften Stunde erschien er wieder im Bureau, das jetzt wie durch Zauberei mit würzigen Düften von Grog und Zitronenschale erfüllt wurde.
    »Herr Richard«, sagte Braß, »der Mann ist noch nicht aufgestanden. Nichts kann ihn wecken, Sir. Was soll man tun?«
    »Ich würde ihn ausschlafen lassen«, versetzte Dick.
    »Ausschlafen?« rief Braß. »Zum Henker, der schläft schon seit sechsundzwanzig Stunden. Wir haben Truhen und Kommoden über seinem Kopfe gerückt, wir haben an die Haustür geklopft, wir haben das Dienstmädchen mehrere Male die Treppe hinunterfallen lassen – sie ist leicht, und es tut ihr nicht sehr weh –, aber nichts vermag ihn zu erwecken.«
    »Vielleicht gehts mit einer Leiter«, rief Dick; »man kann durch das Fenster des ersten Stockes hineinsteigen.«
    »Aber dann ist eine Tür dazwischen, und außerdem brächte es die Nachbarschaft auf die Beine«, entgegnete Braß.
    »Wie wäre es, wenn man durch die Falltür auf das Dach des Hauses stiege und sich durch den Schornstein hinunterließe?« meinte Dick.
    »Das wäre ein vortrefflicher Plan«, sagte Braß, »wenn jemand«, und dabei sah er Herrn Swiveller sehr fest an, »wenn jemand so gütig, so freundlich und so großmütig sein wollte, es zu unternehmen. Ich wette, es ist durchaus nicht so unangenehm, wie man sichs vorstellt.«
    Dick hatte diesen Rat erteilt in der Meinung,

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