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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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späteren Handlungen seinem unglücklichen Geschick zur Last legte und daher ganz resigniert und getröstet war, völlig gefaßt auf das Schlimmste und philosophisch gleichgültig gegen das Beste.
    »Guten Morgen, Herr Richard«, sagte Herr Braß zu Herrn Swiveller am zweiten Tag seiner Schreiberschaft. »Sally hat gestern abend in Whitechapel einen alten Schreibebock für Sie aufgestöbert; sie ist ein durchtriebener Kerl, was das Feilschen anbelangt, kann ich Ihnen sagen, Herr Richard. Sie werden finden, daß es ein erstklassiger ist, Sir, mein Wort darauf!«
    »Dem Ansehen nach freilich etwas gebrechlich«, versetzte Dick.
    »Seien Sie versichert, daß sichs erstaunlich gut darauf sitzen läßt«, entgegnete Herr Braß. »Er wurde auf offener Straße gerade dem Hospital gegenüber gekauft, und da er vielleicht einen Monat oder zwei dort gestanden hat, so ist er etwas staubig und von der Sonne gebräunt, das ist alles.«
    »Hoffentlich steckt doch kein Fieber oder etwas derart in ihm«, sagte Dick, indem er sich mißvergnügt zwischen Herrn Sampson und der keuschen Sally niedersetzte. »Eins seiner Beine ist länger als die andern.«
    »Dann nehmen wir ein Stückchen davon ab, Sir, und kriegen dadurch Holz«, erwiderte Braß. »Ha ha ha! Wir kriegen dadurch Holz zum Verkauf, Sir, und das ist ein weiterer Vor
teil, wenn meine Schwester für uns auf den Markt geht. Miß Braß, Herr Richard ist der …«
    »Willst du einmal ruhig sein«, unterbrach ihn der schöne Gegenstand dieser Bemerkungen, von den Papieren aufsehend, »wie soll ich denn arbeiten, wenn du in einem fort plapperst?«
    »Was du doch für ein inkonsequenter Bursche bist«, entgegnete der Rechtsgelehrte. »Das eine Mal nichts als plaudern, das andere Mal nichts als arbeiten. Man kann nie wissen, in welcher Stimmung man dich findet.«
    »Jetzt bin ich in der Stimmung, zu arbeiten«, sagte Miß Sally, »muß daher bitten, mich nicht zu stören. Und halte ihn nicht von seinem Geschäft ab!« fügte Miß Sally hinzu, indem sie mit ihrer Feder auf Richard deutete. »Ich wette, er tut ohnehin nicht mehr, als er eben muß.«
    Herr Braß war augenscheinlich sehr geneigt, eine zornige Erwiderung zu geben, ließ sich aber durch Rücksichten der Klugheit oder der Furcht abschrecken, da er nur etwas von Belästigung und Landläufern murmelte, ohne jedoch diese Ausdrücke mit irgendeinem Individuum in Verbindung zu bringen, sondern ihrer nur in Verbindung mit einigen abstrakten Ideen, die ihm eben in den Sinn kamen, erwähnte. Sie schrieben nun eine lange Zeit in tiefem Schweigen fort, in einem so langweiligen Schweigen, daß Herr Swiveller, der immer Anregung haben mußte, mehrere Male einnickte und bereits mit geschlossenen Augen verschiedene wunderliche Worte in unbekannten Schriftzügen geschrieben hatte, als Miß Sally endlich die Eintönigkeit des Geschäftslebens dadurch unterbrach, daß sie ihre kleine, zinnerne Dose herauszog, eine geräuschvolle Prise nahm und sodann ihre Meinung dahin ausdrückte, daß Herr Richard Swiveller daran schuld sei.
    »Schuld woran, Ma'am?« fragte Richard.
    »Wissen Sie nicht«, entgegnete Miß Braß, »daß der Miets
mann noch nicht auf ist und daß er nichts von sich hat sehen und hören lassen, seit er gestern nachmittag zu Bette ging?«
    »Nun, Ma'am«, sagte Dick, »er wird doch seine zehn Pfund ruhig und in Frieden ausschlafen dürfen, wenn es ihm beliebt.«
    »Ach! ich fange an zu glauben, daß er nie wieder erwachen wird«, bemerkte Miß Sally.
    »Es ist ein sehr merkwürdiger Umstand«, bemerkte Braß, indem er seine Feder niederlegte, »wirklich sehr merkwürdig. Herr Richard, Sie werden sich erinnern, wenn man diesen Herrn an dem Bettpfosten erhängt finden oder wenn ein anderes Unglück hereinbrechen sollte, Sie werden sich erinnern, daß diese Zehnpfundnote Ihnen als Abschlagszahlung für eine zweijährige Hausmiete übergeben wurde! Vergessen Sie es nicht; es ist vielleicht besser, Sir, wenn Sie sichs notieren, falls Sie Zeugnis darüber ablegen müßten!«
    Herr Swiveller nahm einen großen Foliobogen und begann mit ungemein gravitätischem Gesicht eine ganz kleine Bemerkung in die Ecke zu schreiben.
    »Wir können nie zu vorsichtig sein«, sagte Herr Braß. »Es gibt viel Schlechtigkeit in der Welt, ja, viel Schlechtigkeit. Sagte der Herr vielleicht …, doch das tut jetzt nichts zur Sache, Sir; beendigen Sie zuvor dieses kleine Memorandum!«
    Dick tat, wie ihm geheißen wurde, und händigte es Herrn Braß ein,

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