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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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vorsprechen!«
    »Oh, wollen Sie doch gefälligst kommen und die Wohnung zeigen«, sagte das Mädchen. »Sie kostet achtzehn Schilling die Woche nebst Geschirr und Weißzeug. Stiefel- und Kleiderputzen ist extra, und die Heizung im Winter beträgt acht Pence für den Tag.«
    »Aber warum zeigst du sie nicht selbst? Du scheinst doch alles zu wissen«, versetzte Dick.
    »Miß Sally sagte, das ginge nicht an, weil die Leute glauben würden, die Bedienung wäre nicht gut, wenn sie sähen, wie klein ich bin.«
    »Wohl, aber sie werden nachher sehen, wie klein du bist, oder nicht?« entgegnete Dick.
    »Ja! Doch dann haben sie die Zimmer jedenfalls schon für vierzehn Tage genommen«, erwiderte das Kind mit einem verschmitzten Blick, »und die Leute ziehen nicht gerne aus, wenn sie einmal festsitzen.«
    »Das ist mir einmal ein sonderbares Ding«, murmelte Dick aufstehend. »Und was stellst du denn eigentlich vor, etwa die Köchin?«
    »Ja, ich versehe die einfache Kocherei«, versetzte das Kind. »Ich bin aber auch zugleich Stubenmagd und verrichte alle Arbeiten im Hause.«
    »Und vermutlich verrichten Braß, der Drache und ich den schmutzigsten Teil davon«, dachte Dick.
    Vielleicht hätte er, da er sich in der Stimmung lebhaften Zweifels und Zauderns befand, noch mehr gedacht, wenn ihn nicht das Mädchen abermals gedrängt hätte, ihrer Bitte zu willfahren, und gewisse geheimnisvolle polternde Töne vor der Tür und auf dem Treppenhause verraten hätten, daß der Mieter ungeduldig sei. Richard Swiveller steckte daher eine Feder
hinter jedes Ohr und eine dritte in den Mund zum Zeichen seiner Bedeutsamkeit und seines Geschäftseifers und eilte fort, um mit dem Herrn zu verhandeln.
    Er war ein wenig überrascht, als er bemerkte, daß die polternden Töne von dem Koffer des ledigen Herrn herrührten, der die Treppe hinaufgebracht wurde, und da dieser fast zweimal so breit war als das Treppenhaus und überhaupt außerordentlich schwer, so war es trotz der vereinten Bemühungen des ledigen Herrn und des Kutschers nicht leicht, ihn hinaufzuschaffen. Aber da waren sie, jeder an die Wand geklemmt, und schoben und zogen aus Leibeskräften und zwängten den Koffer dicht und fest in alle Arten von unmöglichen Winkeln, so daß von einem Vorbeigehen keine Rede sein konnte. Aus diesem Grunde, der durchaus hinreichend war, folgte Herr Swiveller langsam hintennach, indem er auf jeder Stufe feierlich Protest einlegte gegen diese Erstürmung von seines Prinzipals Wohnung.
    Auf diese Vorstellungen antwortete der ledige Herr mit keiner Silbe, und als der Koffer endlich in die Schlafstube gebracht war, setzte er sich darauf, um den kahlen Kopf und das Gesicht mit einem Schnupftuche abzuwischen. Ihm war sehr heiß, und das war leicht erklärlich; denn abgesehen von der Anstrengung, die das Heraufschaffen des Koffers erforderte, war der Herr fest in Winterkleider eingemummt, obgleich das Thermometer den ganzen Tag einundachtzig Grad Fahrenheit im Schatten zeigte.
    »Ich glaube, Sir«, begann Richard Swiveller, indem er die Feder aus dem Munde nahm, »daß Sie diese Gelasse zu besichtigen wünschen. Sie sind äußerst angenehm, Sir, bieten eine freie Aussicht über den Weg und sind kaum sechzig Schritt von der Straßenecke. In der Nachbarschaft gibt es milden Porter, und die allseitigen Vorteile sind ganz bedeutend.«
    »Wieviel beträgt die Miete?« fragte der ledige Herr.
    »Ein Pfund wöchentlich«, versetzte Dick, den Preis erhöhend.
    »Ich will sie nehmen.«
    »Stiefel- und Kleiderputzen wird extra bezahlt«, sagte Dick, »und die Heizung im Winter macht …«
    »Vollkommen von mir zugestanden«, unterbrach ihn der ledige Herr.
    »Zwei Wochen zum mindesten«, fuhr Dick fort, »ist die …«
    »Zwei Wochen?« rief der ledige Herr verdrießlich, indem er den angehenden Schreiber von Kopf bis zur Zehe betrachtete. »Sagen Sie zwei Jahre! Ich werde zwei Jahre hierbleiben. Da sind zehn Pfund Angabe. Der Handel ist geschlossen.«
    »Ja, sehen Sie«, sagte Dick, »mein Name ist nicht Braß und …«
    »Wer sagte denn so? Mein Name ist auch nicht Braß. Was weiter?«
    »So heißt nämlich der Hausinhaber«, entgegnete Dick.
    »Das freut mich«, versetzte der ledige Herr, »es ist ein guter Name für einen Advokaten. Kutscher, Ihr könnt gehen, ja, Ihr könnt gehen.«
    Herr Swiveller war so verwirrt über das barsche Benehmen des ledigen Herrn, daß er stehenblieb und ihn fast ebenso fest ins Auge faßte, als er dies bei Miß Sally getan hatte.

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