Der Raritätenladen
ich wohl hin und wieder bitten, daß Sie mich für sie arbeiten ließen, wenn ich hier mit allem fertig bin. Aber wenn sie wieder zurückkommt, so weiß ich nun auch, daß sie reich sein wird, wie der alte Herr es immer voraussagte; und was könnte sie dann von mir brauchen? Nein, nein«, sagte Kit mit bekümmertem Kopfschütteln, »sie wird mich nie mehr brauchen, und – Gott segne sie! – ich hoffe, sie wirds nicht nötig haben, obgleich ich sie gern noch einmal sehen möchte!«
Mit diesen Worten trieb Kit einen Nagel in die Wand, tief, viel tiefer als notwendig, und als er fertig war, drehte er sich wieder um.
»Da ist das Pony, Sir«, fuhr Kit fort. »Whisker, Ma'am – und er weiß so gut, daß ich von ihm spreche, daß er schon gleich zu wiehern anfängt –, würde er wohl jemand andern sich nahekommen lassen als mich, Ma'am? Und der Garten, Sir, und Herr Abel, Ma'am. Würde Herr Abel mich wohl entbehren können, Sir, oder gibt es jemand, der besser auf den Garten achthätte, Ma'am? Es würde meiner Mutter das Herz brechen, Sir, und selbst der kleine Jakob hätte Verstand genug, sich die Augen auszuweinen, Ma'am, wenn er dächte, Herr Abel wünsche sich so bald von mir zu trennen, da er doch erst kürzlich zu mir sagte, er hoffe, wir würden noch manches Jahr miteinander aushalten!«
Wir können nicht sagen, wie lange Kit noch auf der Leiter gestanden und abwechselnd seinen Herrn und seine Gebieterin angeredet haben würde, und gewöhnlich wandte er sich an die unrechte Person, wenn nicht in diesem Augenblick Barbara mit der Nachricht gekommen wäre, ein Bote aus dem Bureau des Notars habe ein Billett gebracht, das sie mit dem Ausdruck der Überraschung über Kits rednerische Stellung ihrem Herrn einhändigte.
»Ah!« sagte der alte Herr, nachdem er es gelesen hatte, »sage Sie dem Boten, er solle hierherkommen.«
Barbara trippelte fort, um zu tun, wie ihr befohlen wurde, worauf sich der alte Herr mit der Bemerkung an Kit wandte, sie wollten nicht weiter über diesen Gegenstand sprechen, denn Kit könne sich nicht schwerer von ihnen trennen, als sie ihn ungern entlassen würden, eine Erklärung, der die alte Dame sehr gnädig beipflichtete.
»Gleichwohl können wir es nicht verweigern, Christoph«, fügte Herr Garland hinzu, indem er auf das Briefchen in seiner Hand blickte, »dich zuweilen dem Herrn abzutreten, wenn er dich für eine Stunde ungefähr, meinetwegen auch auf einen Tag borgen wollte, und du mußt dich auch gern dazu hergeben. Ah, da ist ja der junge Herr! Wie gehts Ihnen, Sir?«
Dieser Gruß galt Herrn Chuckster, der mit ganz auf die Seite gedrücktem Hut und fliegendem Haar einherstolziert kam.
»Ich hoffe, Sie wohlauf zu sehen, Sir«, entgegnete dieser Herr, »und auch Sie, Ma'am. Ein prächtiges Gartenhäuschen das, Sir! Jedenfalls eine köstliche Landschaft!«
»Sie wollen Kit mit sich nehmen, wie ich sehe?« bemerkte Herr Garland.
»Ich habe zu diesem Zweck ein Kabriolett mitgebracht«, versetzte der Schreiber. »Einen ganz stattlichen Grauschim
mel im Geschirr, Sir, wenn Sie ein Kenner von Pferdefleisch sind.«
Herr Garland lehnte die Besichtigung des stattlichen Grauschimmels unter dem Vorwande ab, daß er sich auf derartige Dinge nicht verstehe, und lud Herrn Chuckster ein, an einem kleinen Lunch teilzunehmen. Da dieser Herr gern zusagte, wurde schleunigst kaltes Fleisch nebst Ale und Wein zu seiner Erfrischung aufgetragen.
Bei diesem Mahle bot Herr Chuckster alle seine Kräfte auf, um seinen Wirt samt Gemahlin zu bezaubern und sie von der geistigen Überlegenheit derjenigen zu überzeugen, die in der Stadt wohnen. Zu diesem Zweck brachte er das Gespräch auf die Chronique scandaleuse des Tages, in der er nach dem gerechten Urteil seiner Freunde außerordentlich gut beschlagen war. So war er imstande, ausführlich die Einzelheiten des Streites zwischen dem Marquis von Mizzler und dem Lord Bobby zu erzählen, der, wie nun klar war, durch eine Flasche Champagner, keineswegs aber durch eine Taubenpastete, wie die Zeitungen irrigerweise meldeten, veranlaßt worden war; auch hatte Lord Bobby nicht zum Marquis von Mizzler gesagt: ›Mizzler, einer von uns beiden lügt, ich aber gewiß nicht‹, wie ganz falsch von denselben Autoritäten ausgesprengt worden, sondern: ›Mizzler, Sie wissen, wo ich zu finden bin, und – beim Teufel, Sir! – suchen Sie mich, wenn Sie mich brauchen‹, wodurch natürlich die interessante Frage ein ganz anderes Gesicht bekam und in einem sehr
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