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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Bäume, handhabte seine Gartenschere oder ging Kit mit großer Emsigkeit bei seiner Arbeit an die Hand, und der Klepper sah aus seiner Einzäunung in wohlgefälliger Beschaulichkeit dem Ganzen zu. Heute sollten die Rebstöcke zugerichtet werden, weshalb Kit eine kurze Leiter bis zur Hälfte erkletterte und zu schneiden und zu hämmern begann, während der alte Herr mit großem Interesse an dem Fortgange der Arbeit die Nägel und Bastbänder hinaufreichte, sooft welche gebraucht
wurden. Die alte Dame und der Klepper sahen wie gewöhnlich zu.
    »Nun, Christoph«, sagte Herr Garland, »du hast dir also einen neuen Freund erworben, he?«
    »Wie bitte, Sir?« entgegnete Kit, von der Leiter heruntersehend.
    »Du hast, wie ich von Herrn Abel höre, in dem Bureau des Notars einen neuen Freund gefunden«, sagte der alte Herr.
    »Ach – ja, Sir, ja. Er hat sich sehr freigebig gegen mich benommen, Sir.«
    »Freut mich, das zu hören«, entgegnete der alte Herr lächelnd. »Aber er ist geneigt, noch mehr für dich zu tun, Christoph.«
    »Wirklich, Sir! Das ist sehr schön von ihm, aber soviel ich weiß, brauche ich ihn nicht«, sagte Kit, indem er kräftig auf einen widerspenstigen Nagel loshämmerte.
    »Es ist ihm sehr darum zu tun«, fuhr der alte Herr fort, »dich in seinen Dienst zu nehmen; nimm dich in acht, sonst wirst du herunterfallen und dir weh tun.«
    »Mich in seinen Dienst nehmen?« rief Kit, der jetzt in seiner Arbeit innehielt und sich wie ein geschickter Equilibrist auf der Leiter umdrehte. »Ei, Sir, ich glaube nicht, daß er es ernst meint, wenn er das sagt.«
    »O freilich, freilich ists ihm ernst«, sagte Herr Garland. »Er hat es zu Herrn Abel gesagt.«
    »Habe ich doch nie so etwas gehört!« murmelte Kit, indem er mit einer kläglichen Miene seinen Herrn und seine Gebieterin anblickte. »Nein, ich wundre mich über ihn, wahrhaftig!«
    »Schau, Christoph, das ist eine Sache von großer Wichtigkeit für dich, und du sollst sie auch in diesem Licht betrachten und verstehn. Der Herr ist imstande, dir mehr Geld zu geben als ich; zwar hoffe ich nicht, daß er dir, soweit es die verschie
denen Beziehungen des Herrn zum Diener gestatten, mehr Vertrauen schenken kann; aber gewiß, Christoph, ist er in der Lage, dich besser zu bezahlen.«
    »Das mag wohl sein, Sir, aber …«, erwiderte Kit.
    »Warte noch einen Augenblick«, fiel ihm Herr Garland ins Wort, »das ist noch nicht alles. Soviel ich weiß, warst du deiner alten Herrschaft ein sehr treuer Diener; und sollte der Herr diese wieder auffinden, was er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln versucht, so zweifle ich nicht, daß du in seinem Dienste deine Belohnung erhalten wirst. Außerdem«, fügte der alte Herr mit noch größerem Nachdruck hinzu, »außerdem wirst du die Freude haben, wieder in Verbindung mit denen zu kommen, an denen du mit so großer und uneigennütziger Treue zu hängen scheinst. Du mußt dies alles überlegen, Christoph, und keine voreilige oder rasche Wahl treffen.«
    Als dieses letztere Argument seine Gedanken durchkreuzte und die Verwirklichung all seiner Hoffnungen und Wünsche heraufbeschwor, empfand Kit einen kurzen, heftigen Schmerz in der Brust, als er trotzdem bei dem bereits gefaßten Entschluß beharrte. Aber der Schmerz war auch gleich wieder vorüber, und unmittelbar darauf gab er die feste Antwort, der Herr müsse sich nach jemand anderm umsehen und hätte seiner Ansicht nach dies gleich von vornherein tun sollen.
    »Er hat kein Recht zu glauben, daß ich mich verführen lasse, zu ihm zu gehen, Sir«, fügte Kit hinzu und wandte sich wieder um, nachdem er eine halbe Minute gehämmert hatte. »Meint er, ich sei ein Narr?«
    »Er könnte es vielleicht meinen, Christoph, wenn du sein Anerbieten ausschlägst«, sagte Herr Garland ernst.
    »So mag ers«, versetzte Kit; »was kümmerts mich, Sir, was er von mir denkt! Warum sollte ich mich um seine Gedanken kümmern, wenn ich weiß, daß ich ein Narr sein müßte und
noch schlimmer als ein Narr, Sir, falls ich um seinet- oder sonst jemands willen die gütigste Herrschaft, die es je gab oder geben kann, verlassen wollte, eine Herrschaft, die mich tatsächlich als einen ganz armen und hungrigen Jungen von der Straße wegnahm, ärmer und hungriger, als Sie sich vielleicht je gedacht haben, Sir. Wenn Miß Nell wieder zurückkäme, Ma'am«, fügte Kit plötzlich, zu seiner Gebieterin gewandt, hinzu, »dann wäre es freilich etwas anderes, und wenn sie mich brauchen sollte, möchte

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