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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Frau versteckt oder sich in dem Schrank eingeschlossen hat. Von Argwohn wäre keine Rede, oder er würde ohne Zweifel das Ziel weit verfehlen. Ich würde ihm Revanche geben bis auf den letzten Heller, den er bringt, wie groß auch der Betrag sein möchte.«
    »Aber könntet Ihrs auch?« entgegnete Isaak List. »Ist Eure Bank auch stark genug?«
    »Stark genug?« erwiderte der andere mit erheuchelter Verachtung. »Da, Musjö, langt mir einmal die Büchse aus dem Stroh heraus.«
    Dies galt dem Zigeuner, der auf allen vieren in das niedrige Zelt kroch und nach vielem Umherstöbern und Rasseln mit einer Geldbüchse zurückkehrte, die Jowl mit einem Schlüssel öffnete, den er auf dem Leibe trug.
    »Seht Ihr dies?« fragte er, indem er das Geld in seine Hand entleerte und es wie Wassertropfen durch seine Finger in die Büchse zurückfallen ließ. »Hört Ihr es? Kennt Ihr den Klang des Goldes? Da, stellt es wieder zurück und sprecht mir nicht wieder von Banken, Isaak, bis Ihr selbst einmal eine auftun könnt.«
    Isaak List beteuerte scheinbar mit großer Unterwürfigkeit, daß er nie den Kredit eines Herrn von so notorischer Ehrenhaftigkeit, wie Herr Jowl einer wäre, bezweifelt habe; den Wunsch, die Büchse zu sehen, hätte er gewiß nicht geäußert, um seine Zweifel zu stillen, da er überhaupt keine hege, sondern nur in der Absicht, sich wieder einmal an dem Anblick solcher Reichtümer zu laben. Mancher könnte vielleicht glauben, dies sei nur ein leeres und eingebildetes Vergnügen, aber für einen Mann in seinen Verhältnissen sei es eine Quelle außerordentlicher Freude, welche nur übertroffen werden könnte, wenn er das Depot wohlbehalten in seinen eigenen Taschen hätte. Obgleich Herr List und Herr Jowl nur miteinander sprachen, so konnte man doch sehen, daß beide kein Auge von dem alten Mann verwandten, der, den Blick auf das Feuer geheftet, brütend dasaß, aber doch auf alles, was sie sprachen, eifrig lauschte, wie man leicht aus einer gewissen unwillkürlichen Bewegung seines Kopfes oder einem jeweiligen krampfhaften Zucken seines Gesichts entnehmen konnte.
    »Mein Rat«, sagte Jowl, indem er sich mit nachlässiger Mie
ne wieder niederlegte, »ist einfach; und daß ich ihn gegeben habe, ist Tatsache. Ich handle als Freund. Warum sollte ich auch einem Manne zu den Mitteln verhelfen, mit denen er mir vielleicht meine ganze Habe abgewinnt, wenn ich ihn nicht als meinen Freund betrachtete! Ich muß freilich sagen, es ist ganz verrückt, so viel Rücksicht auf das Wohlergehen andrer Leute zu nehmen; aber ich bin einmal so und kanns nicht ändern. Macht mir darum keinen Vorwurf, Isaak List!«
    »Ich Euch machen einen Vorwurf?« versetzte der Angeredete; »nicht um die ganze Welt, Herr Jowl! Ich wollte nur, ich könnts so weit bringen, so freigebig zu sein wie Ihr. Auch sagt Ihr ganz richtig, er könnts ja zurückzahlen, wenn er gewinnt; und wenn er verliert …«
    »Daran braucht man überhaupt nicht zu denken«, entgegnete Jowl. »Aber angenommen, es wäre der Fall – obgleich es unwahrscheinlich ist, soviel ich von den Launen des Glücks weiß –, ei, ists dann nicht besser, andrer Leute Geld zu verlieren als sein eignes? Wills doch meinen.«
    »Ah!« rief Isaak List ganz entzückt, »welche Lust, zu gewinnen! Welch ein Genuß, das Geld zu streifen vom Tisch, die schönen, blanken, gelben Vögel, sie in die Taschen zu streichen! Was ists für eine Wonne, endlich zu triumphieren, denken zu können, daß man nicht stehengeblieben ist, ihm nicht den Rücken gekehrt hat, sondern ihm auf halbem Wege entgegengekommen ist! Der – Ihr wollt doch nicht gehen, alter Herr?«
    »Ich wills tun«, sagte der alte Mann, der aufgestanden und etliche Schritte weggeeilt war, aber ebenso rasch wieder umkehrte. »Es soll mein sein, jeder Penny.«
    »Nun, das lob ich mir«, rief Isaak, indem er aufsprang und ihn auf die Schulter klopfte; »und ich habe Respekt vor Euch, daß Ihr noch so viel junges Blut habt. Ha ha ha! Joe Jowl be
reut fast, daß er Euch hat geraten. Jetzt ist das Lachen auf unsrer Seite. Ha ha ha!«
    »Er gibt mir Revanche, vergeßts nicht«, sagte der alte Mann, indem er mit der runzligen Hand auf Jowl deutete; »erinnert Euch, er setzt Stück auf Stück, bis auf das letzte in der Büchse, mögen es ihrer viel oder wenige sein. Erinnert Euch dessen!«
    »Ich bin Zeuge«, entgegnete Isaak, »ich will sehen, daß es geht ehrlich her.«
    »Ich habe mein Wort gegeben«, sagte Jowl mit erkünsteltem Widerwillen,

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