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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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auch deren düsterer, niederdrückender Einfluß ihrer Seelen, die er mit unheimlichen Empfindungen erfüllte. Auf jeder Seite und so weit das Auge durch die dicke Luft schauen konnte, drängten sich hohe Schornsteine aneinander, zeigten jene endlose Wiederholung der gleichen,
langweiligen, häßlichen Formen, die der Schrecken schwerer Träume sind, und strömten ihren giftigen Rauch aus, der das Licht verdunkelte und die trübe Luft verpestete. Auf den am Wege liegenden Aschenhaufen, die nur durch ein paar rauhe Bretter oder verfaulte Wetterdächer geschützt waren, reckten und krümmten sich seltsame Maschinen gleich gemarterten Wesen, klirrten mit ihren eisernen Ketten, kreischten von Zeit zu Zeit unter den wirbelnden Drehungen, als könnten sie ihre Qualen nicht länger ertragen, und ließen die Erde von ihren Schmerzen erzittern. Hin und wieder zeigten sich verlotterte Häuser, die einzustürzen drohten und von den Trümmern anderer gestützt wurden, die bereits eingefallen waren, dachlos, ohne Fenster, geschwärzt, verödet, aber doch bewohnt. Männer, Weiber und Kinder mit hohlen Blicken und zerlumpten Kleidern bedienten die Maschinen, nährten deren Feuer, bettelten am Wege oder schielten halbnackt aus den türlosen Häusern. Dann kamen noch mehr jener ergrimmten Ungeheuer – denn als solche mochten sie wohl in ihrer Wildheit und in ihrem ungezügelten Gebärdenspiel erscheinen –, die sich endlos drehten und dabei immer kreischten. Und immerfort, vorn, hinten, zur Rechten und zur Linken, war dieselbe unbegrenzte Perspektive von Ziegeltürmen, die unablässig ihren schwarzen Qualm ausspien, alles Lebende und Leblose verpesteten, das Licht des Tages ausschlossen und alle diese Schrecken mit einer dichten schwarzen Rauchwolke umhüllten.
    Und erst die Nacht an diesem fürchterlichen Orte! – Die Nacht, als der Rauch sich in Feuer wandelte, jeder Schlot seine Flamme ausspie und Orte, die den Tag über dunkle Gewölbe waren, nun in roter Glut leuchteten, während Gestalten in ihren lodernden Rachen hin und her huschten und einander heisere Worte zuriefen – die Nacht, als das Getöse jener seltsamen Maschinen durch die Dunkelheit noch erhöht wurde, die
um sie hantierenden Menschen noch wilder und finsterer aussahen, als Banden unbeschäftigter Arbeiter die Straßen füllten oder sich beim Fackelscheine um ihre Führer scharten, die ihnen mit verhängnisvollen Worten ihr Leid vor Augen hielten und sie zu schrecklichen Rufen und Drohungen aufhetzten; wütende Männer, mit Schwertern und Brandfackeln bewaffnet, ohne auf die Tränen und Bitten der Weiber zu achten, die sie zurückhalten wollten, dahinstürmten, um Schreckenstaten auszuführen und Zerstörung zu verbreiten, dadurch aber mehr ihrem eignen Untergang als dem der andern in die Hände arbeiteten – die Nacht, als Karren die Straßen durchfuhren, hochgetürmt mit roh gezimmerten Särgen (denn ansteckende Krankheiten und Tod hatten geschäftig die Ernte des Lebens eingeheimst), als weinende Waisen und halb wahnsinnige, kreischende Weiber den Ihrigen auf ihrem letzten Erdengange folgten – die Nacht, als einige nach Brot, andere nach Branntwein riefen, um ihre Sorgen zu ertränken, und einige mit Tränen, andere taumelnden Fußes, mit blutunterlaufenen Augen und in finsterem Brüten nach Hause gingen – die Nacht, die im Gegensatz zu der gottgesandten keine Ruhe, keinen Frieden, nicht die Spur eines gesegneten Schlummers mit sich brachte – ach, wer kann all das Entsetzen beschreiben, das die Nacht dem wandernden jungen Kinde vor Augen führte!
    Und doch legte es sich unter freiem Himmel nieder, ganz furchtlos, denn es hatte das Fürchten verlernt, und sandte ein heißes Gebet für den armen alten Mann empor. Wie schwach und erschöpft es auch war, blieb es doch so ruhig und ergebungsvoll, daß es nicht an seine Bedürfnisse dachte, sondern nur zu Gott flehte, er möchte es für ihn einen Freund finden lassen. Es versuchte, sich den Weg, den sie gekommen waren, ins Gedächtnis zurückzurufen und in die Richtung zu blicken, in der das Feuer brannte, neben dem sie in der letzten Nacht
geschlafen hatten. Es hatte vergessen, den armen Mann, ihren Freund, nach seinem Namen zu fragen, und als es im Gebet seiner gedacht hatte, kam es ihm undankbar vor, nicht dorthin zu blicken, wo er jetzt wachend saß.
    Sie hatten an diesem Tage bloß für einen Penny Brot genossen. Es war sehr wenig; aber selbst der Hunger wurde angesichts dieser wundersamen Ruhe

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