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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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erteilen, was wöchentlich zweimal, und zwar regelmäßig an diesem Abend, zu geschehen schien – gewiß zur großen Freude und Erbauung des Schülers sowohl als der Lehrerin. Zu berichten, wie lange es dauerte, bis seine Bescheidenheit es ihm erlaubte, in Gegenwart eines unbekannten Herrn im Wohnzimmer Platz zu nehmen – wie er, als er saß, seine Rockärmel zurückschlug, die Ellenbogen spreizte, das Gesicht fast in gleiche Höhe mit dem Schreibebuch brachte und fürchterlich über die Linien wegschielte – wie er vom ersten Augenblicke an, als er die Feder in der Hand hatte, schier in Tintenklecksen sich wälzte und sich bis zu den Haarwurzeln hinauf mit Tinte besudelte – wie er, wenn ihm zufällig ein Buchstabe gelang, diesen gleich wieder mit dem Arme auslöschte, weil er sich für eine andere derartige Malerei vorbereitete – wie bei jedem neuen Fehlzuge das Kind in ein heiteres Lachen ausbrach, das von einem noch lauteren, nicht weniger herzlichen aus dem Munde Kits begleitet wurde – und wie trotzdem weder in ihr der zarte Wunsch, zu lehren, noch in ihm das eifrige Verlangen, zu lernen, erschlaffte: – all diese Einzelheiten zu berichten würde ohne Zweifel mehr Raum und Zeit wegnehmen, als sie verdienen. Es wird genügen, wenn ich sage, daß der Unterricht gegeben wurde – daß der Abend verging und die Nacht hereinbrach – daß der alte Mann wieder unruhig und ungeduldig wurde – daß er zu derselben Stunde wie letzthin das Haus verließ – und daß das Kind wieder einmal allein in den düstern Mauern blieb. Und
nun, da ich diese Geschichte persönlich so weit begleitet und die Haupthelden dem Leser vorgestellt habe, werde ich im Interesse der Erzählung für die Zukunft meine Wenigkeit aus dem Spiele lassen, da fortan diejenigen, denen wichtige und bedeutende Rollen übertragen sind, für sich selbst sprechen und handeln sollen.

Viertes Kapitel
    Herr und Frau Quilp wohnten auf dem Tower Hill, und in ihrem Bauer auf dem Tower Hill verblieb Frau Quilp, um die Abwesenheit ihres Herrn zu beklagen, als er sie des Geschäftes wegen, dessen Zeuge der Leser war, verlassen hatte.
    Man konnte kaum sagen, welches Gewerbe Herr Quilp eigentlich trieb und welchem Berufe er angehörte, denn sein Treiben war gar zu mannigfach, und seine Geschäfte waren zahllos. Er sammelte Zinsen von ganzen Kolonien schmutziger Straßen und Gäßchen auf der Wasserseite, schoß den Matrosen und Unteroffizieren der Handelsschiffe Geld vor, beteiligte sich an den Spekulationen verschiedener Steuermänner auf Ostindienfahrern, rauchte seine geschmuggelten Zigarren mit aller Seelenruhe direkt unter den Fenstern des Zollhauses und machte fast jeden Tag Bestellungen auf der Börse mit Leuten in Glanzhüten und runden Wämsern [ 1 ] . Auf der Surrey-Seite des Flusses lag ein kleiner, von Ratten bevölkerter, trauriger Hof, welcher »Quilps-Werft« hieß, auf der ein kleines hölzernes Kontor ganz schief in dem Staube stak, als wäre es aus den Wolken gefallen und in den Boden gepflügt worden; ferner sah man dort etliche Bruchstücke von rostigen Ankern, meh
rere große Eisenringe, einige Haufen vermoderten Holzes und zwei oder drei Stöße alten, verbeulten und zerbrochenen Kupferblechs. Auf der »Quilps-Werft« war Daniel Quilp ein Kaufmann, der mit alten Schiffen handelte; augenscheinlich betrieb er dies Geschäft nur in ganz kleinem Maßstab, oder er hackte sie kurz und klein, daß nichts mehr von ihnen zu sehen war. Auch bot der Ort kein besonders belebtes oder geschäftiges Bild; denn das einzige menschliche Wesen daselbst bestand aus einem amphibischen Knaben in einem Leinenanzug, dessen Beschäftigung nur darin bestand, daß er entweder, auf einem Haufen sitzend, Steine in den Schlamm warf, wenn die Flut vorüber war, oder bei hohem Wasserstand mit den Händen in der Tasche umherlungerte und gedankenlos der Bewegung und dem Rauschen des Stromes zusah.
    Die Wohnung des Zwerges auf dem Tower Hill umfaßte außer den nötigen Gelassen für sich selbst und für Frau Quilp ein kleines Schlafgemach für die Mutter dieser Dame, die bei dem Paare wohnte und mit Daniel in beharrlichem Kriege lebte, obgleich sie sich vor ihrem Schwiegersohne nicht wenig fürchtete. In der Tat brachte es das häßliche Geschöpf durch das eine oder andere Mittel – gleichviel ob durch seine Häßlichkeit, seine Wildheit oder seine natürliche Schlauheit – so weit, die meisten, mit denen er in tägliche Berührung kam, mit einer nicht geringen Scheu

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